UN-Nachhaltigkeitsziele: Passivität der Regierung beklagt
Trotz eines Rekordhitze-Sommers mit mehr Hitzetoten als je zuvor gibt es in Österreich keine substantiellen Maßnahmen in der Klimapolitik. Besonders bei den Treibhausgasen würde dringender Handlungsbedarf bestehen, denn die diesbezügliche Bilanz ist schlechter als 1990: Das wurde bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien zum dritten Jahrestag der Verabschiedung der UN-"Sustainable Development Goals" (SDGs/Nachhaltigkeitsziele) betont. Dabei äußerten sich Annelies Vilim, Sprecherin der Plattform "SDG Watch Austria" und Geschäftsführerin des Dachverbands "Globale Verantwortung/ARGE für Entwicklung und Humanitäre Hilfe", Prof. Karl Aiginger von der WU Wien - er ist auch Leiter der "Querdenkerplattform Wien-Europa" -, sowie "Global 2000"-Klimasprecher Johannes Wahlmüller.
Vilim kritisierte, dass weder Bundeskanzler Sebastian Kurz noch andere Mitglieder der Bundesregierung "öffentliches Commitment" für die SDG-Ziele zeigten. Aiginger berichtete, dass er sämtliche Termine durchrecherchiert habe und dabei als einzige Pressekonferenz zum SDG-Jahrestag die Plattformskonferenz gefunden habe. Wahlmüller erinnerte an die dramatischen wirtschaftlichen Folgen von Hitzesommern und Klimawandel in Österreich. Schätzungen gingen von 8,8 Milliarden Euro pro Jahr für Österreich aus.
Scharfe Kritik übten die Podiumsmitglieder am Tempo 140 auf Autobahnen. Aiginger sprach von einem "Fußtritt gegen die Klimaziele". Jetzt werde gewartet, ob es einen tödlichen Unfall gebe, und wenn nicht, werde ausgeweitet. "Aber die Kriterien müssten andere sein, nämlich Gesundheit und Klima".
Wahlmüller legte dazu Zahlen vor: Bei 140 steige der Feinstaubausstoß gegenüber 130 um 18 Prozent, der Stickstoffausstoß um 16 Prozent und der Lärm um 20 Prozent. "Es geht letztlich um eine gerechte und nachhaltige Welt gegenüber grenzenlosen Egoismus mittels Tritt auf den Gashebel", formulierte Aiginger.
Der Wirtschaftswissenschaftler und frühere WIFO-Leiter betonte, dass laut Studien "eine anspruchsvolle Klimapolitik nützlich für Wirtschaft und Arbeitsplätze" sei. Dies zeige sich auch beim Thema Elektromobilität. Hier gebe es Berechnungen, dass sich die höheren Anschaffungskosten im Vergleich zu Benzin- und Dieselfahrzeugen nach sieben Jahren rentierten. "Wir müssen insgesamt vom Prinzip Anschaffungskosten zum Prinzip Nutzungskosten umstellen", forderte Aiginger.
Die Bundesregierung könnte da mit gutem Beispiel vorangehen, regte er an: "Warum kauft die Öffentliche Hand nicht nur Elektroautos. Das ergebe gleichzeitig eine Schub an neuen E-Tankstellen. Auf einmal würde vor jedem Ministerium eine stehen."
Die SDGs gehen auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York zurück. Am 25. September 2015 waren dort 17 "Ziele für nachhaltige Entwicklung" von der UN-Generalversammlung verabschiedet worden. Die SDGs, die von 193 Staaten beschlossen wurden, verstehen sich als verbindlicher Aktionsplan für ein gutes Leben für alle. Papst Franziskus hatte am 25. September 2015, knapp vor der Verabschiedung der SDGs, vor der UNO in New York eine denkwürdige Ansprache gehalten.
Im Sommer hatte auch ein Bericht des Rechnungshofs auf die österreichischen Defizite bei der SDG-Verwirklichung aufmerksam gemacht. Viele der darin angeregten Verbesserungen fordert die Zivilgesellschaft bereits seit Jahren.
Quelle: kathpress