Theologe: "Erwartbarkeit" kirchlicher Antworten stößt Menschen ab
Die "Erwartbarkeit" vieler Antworten und der Überhang an vorgestanzten Antworten vor jedem Sich-Einlassen auf den Fragenden sind dem Theologen Ottmar Fuchs zufolge die Gründe dafür, warum kirchliche Sprache heute nicht mehr gehört wird oder verfängt. "Diese Erwartbarkeit vermittelt den Eindruck, dass man sich nicht richtig auf die Menschen einstellt" und Antworten auf Fragen gibt, die so vielleicht gar nicht mehr gestellt werden, unterstrich der emeritierte Tübinger Pastoraltheologe im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (aktuelle Ausgabe).
An die Seelsorger gerichtet formulierte der Theologe entsprechend den Appell, nicht so zu tun, als würde man "das Richtige auf seiner Seite" haben, wenn man von Gott spreche:
Dann erfahren die Menschen die kirchliche Seite so: Die haben für alles eine Antwort. Für viele ist das abstoßend.
Notwendig sei daher in der kirchlichen Sprache ein Art "verletzbare Offenheit, die keine Konserven aufmacht, sondern sich mit Menschen auf die Suche macht, um die Tiefe ihrer Erfahrung ertasten zu können." Seelsorger seien daher gefordert, die Gläubigen selber religiös sprachfähig zu machen und "auf siegreiche Argumente oder alternativlose Affekte [zu] verzichten". Das Ziel müsse eine "Mitgeh-Pastoral" sein und keine "Antwort-Pastoral".
Ein Beispiel sei etwa die häufig gestellte Theodizee-Frage, also die Frage nach der Vereinbarkeit der Idee eines allmächtigen Gottes mit dem Leiden. Auch im Bezug auf diese tiefe theologische Frage mahnte der Pastoraltheologe zur Zurückhaltung: Schließlich gebe selbst die Bibel keine einheitliche Antwort auf diese Frage.
Von Gott her gibt es keine Erklärungen für das Leid vor allem unschuldiger Menschen. Das auszuhalten und nicht mit kurzatmigen Erklärungen zu kommen, ist das eine. Das andere ist, darüber hinaus Gott größer sein zu lassen als unser eigenes Elend und unsere eigene Hilflosigkeit.
Fuchs ist Hauptreferent der "Pastoraltage" der Diözese Gurk-Klagenfurt, die heuer vom 22. bis 23. Oktober im Bildungshaus St. Georgen/Längsee stattfinden. Das Thema der heurigen "Pastoraltage" lautet "Über-Setzen - für eine religiöse Sprache, die ankommt". (Infos: https://www.kath-kirche-kaernten.at/veranstaltungen/detail/34155)
Quelle: kathpress