Sozialethikerin Gabriel: Papst soll Frauen-Enzyklika schreiben
Es ist Zeit, dass die Kirche ihre Unterstützung für Frauen erneuert - und der beste Weg dafür ist eine päpstliche Frauen-Enzyklika: Das hat die an der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät lehrende Sozialethikerin Ingeborg Gabriel angemahnt. "Eine derartige Enzyklika wäre höchst an der Zeit und das Beste, was der Kirche im Augenblick passieren könnte", so die Europa-Vizepräsidentin der kirchlichen Menschenrechtskommission "Iustitia et Pax" am Dienstag gegenüber "Kathpress". Ihr Vorschlag, den sie Rahmen der Vereinigung der theologischen Ethiker in der Weltkirche (CETWC) kürzlich publiziert hat, verstehe sich als "dringender Aufruf" gerade auch im Blick auf das diesjährige 70-Jahr-Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Habe es bis vor kurzem in der Katholischen Soziallehre, die es im engeren Sinn seit der Sozialenzyklika "Rerum novarum" (1891) von Papst Leo XIII. gibt, "blinde Flecken" zu den Großthemen "Frauen" und "Umwelt" gegeben, so sei letzterer mit der Enzyklika "Laudato si" durch den gegenwärtigen Papst Franziskus verschwunden. Die erhoffte Frauen-Enzyklika könne und solle daher auch am Aufbau und an der Struktur des päpstlichen Umweltdokuments Maß nehmen, führte die Sozialethikerin aus.
So sollte sich in einem ersten Teil eine Beschreibung der weltweiten Situation von Frauen wiederfinden. Wichtig dabei seien regionale Differenzierungen und die Verbindung mit sozialen Themen, von denen Frauen besonders betroffen sind. So sei die spezifisch weibliche Seite von Armut, Migration, Umweltgefährdung und Gewalt darzustellen. In einem zweiten Schritt sollte die Botschaft des Evangeliums aber auch die von Frauen betriebene theologische Forschung thematisiert werden. In einem dritten Teil könnte die Enzyklika den spezifischen Beitrag des Christentums von seinen Anfängen bis zur Moderne im Blick auf Gleichheit und Würde von Frauen darlegen.
Danach sollte - ähnlich wie in der Umweltenzyklika - ein ernsthafter Dialog mit allen Akteuren der Frauen-Thematik geführt werden. Die Enzyklika könnte mit Richtlinien für das kirchliche Handeln zur Ermächtigung von Frauen und einer Anerkennung der diesbezüglich bereits bestehenden Initiativen innerhalb der katholischen Kirche enden. Die erhoffte Frauen-Enzyklika könnte unter bewusster Bezugnahme auf das Konzilsdokument "Gaudium et spes" mit den Worten "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Frauen von heute..." beginnen, schlug Gabriel vor.
Mit der Frauen-Enzyklika könne das kirchliche Lehramt wieder dort anknüpfen, wo es bereist beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und und in den Jahren davor stand, führte die Sozialethikerin weiter aus und verwies dabei auf die Friedensenzyklika "Pacem in terris" (1963) von Papst Johannes XXIII. Im dortigen Abschnitt 22 werde ausdrücklich festgehalten, dass "die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt, was vielleicht rascher geschieht bei den christlichen Völkern und langsamer, aber in aller Breite, bei den Völkern, welche als Erben anderer Überlieferungen auch andere Lebensformen und Sitten haben".
Die Frau werde ihrer Menschenwürde heutzutage immer mehr bewusst und "nimmt sowohl im häuslichen Leben wie im Staat jene Rechte und Pflichten in Anspruch, die der Würde der menschlichen Person entsprechen", heißt es in "Pacem in terris" weiter. Es sei, laut Gabriel, eine "Tragödie", dass diese offene und positive Sicht der Kirche auf die Rolle der Frau ab den 1970er-Jahren zusehends negativer geworden sei, und in kritische Kommentare zu negativen Entwicklungen im Zuge des Feminismus umgeschlagen sei. Die Folge davon sei, das die Amtskirche nicht mehr an der in den letzten Jahrzehnten geführten Debatte zur Ausgestaltung von Frauenrechten teilgenommen habe, urteilte Gabriel.
Die "ominöse Stille" bzw. das Fehlen von klaren Stellungnahmen der katholischen Kirche sowohl auf lokaler als auch globaler Eben sei "schmerzhaft", weil damit die dringend benötigte Unterstützung von Frauen, insbesondere der Armen, in ihrem Kampf gegen soziale Missstände und Diskriminierungen fehle und gleichzeitig übersehen werde, dass gerade Frauen, die ihr Potenzial entwickeln, viel besser zum Wohl ihrer Familien und zum Gemeinwohl beitragen können. Die Kirche sie mehr denn je aufgefordert, sich aus der Situation, in die sie sich selbst in der Frauen-Frage hineinmanövriert habe, durch das erhoffte lehramtliche Sozialschreiben zu befreien.
Dies sei allein schon nötig, wenn man der sozialen Realität ins Auge blicke: So seien gerade Frauen überdurchschnittlich von Unterernährung und Analphabetismus betroffen, wobei sie beispielsweise gleichzeitig rund 79 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit leisteten und dabei nur 13 Prozent des Bodens besitzen. Zudem seien Frauen Opfer von diversen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, so die Wiener Sozialethikerin, die dabei auf die gezielt Abtreibung von weiblichen Föten, aber auch auf Genitalverstümmelung, Vergewaltigung, Ehrenmorde, und die massenhaften Formen von weiblicher Sklaverei, Menschenhandel bis hin zur Sex-Industrie verwies.
Quelle: kathpress