Stift Klosterneuburg präsentiert Maßnahmen gegen Missbrauch
Das Stift Klosterneuburg hat am Samstag Bilanz über die Aufarbeitung eines mutmaßlichen Missbrauchsfalls aus dem Jahr 1993 gezogen und Maßnahmen zur Prävention bekanntgegeben. Man werde einen Präventionsbeauftragten installieren und eine Meldestelle für Verdachtsfälle benennen, ein Konzept zur Personalentwicklung erstellen, den Aufnahmeprozess für das Stift überarbeiten und zudem auch regelmäßige, verpflichtende Aus- und Weiterbildungen - etwa zum Thema "Verhalten bei Verdachtsfällen" - einführen, heißt es in einer am Samstag auf der Homepage des nördlich von Wien gelegenen Klosters veröffentlichten Stellungnahme.
Im Sommer des Vorjahres habe sich gezeigt, dass sich das Stift bzw. einzelne Verantwortungsträger möglicherweise falsch verhalten hätten im Umgang mit dem mutmaßlichen sexuellen Missbrauch durch einen Kleriker des Stiftes, hieß es weiter. Daraufhin habe man externe Fachleute zur Prüfung des Falls beauftragt. Bei dieser Prüfung seien keine Beweise für bewusstes und zielgerichtetes Fehlverhalten des Stiftes oder auch einzelner Verantwortungsträger ausgemacht worden. Dennoch könnten strukturelle Schwächen im Aufnahmeverfahren sowie bei Personalentwicklung, Prävention und Opferschutz den Fall begünstigt haben.
Um diese künftig zu verhindern, werden die genannten Maßnahmen unter Federführung des Kapitelrates umgesetzt; sie basieren auf der Untersuchung sowie auf Empfehlungen unabhängiger Experten. Zu der für die Untersuchung zuständigen Expertengruppe unter Leitung von Brigitte Dörr, Büroleiterin der Unabhängigen Opferschutzanwalt, gehörten auch der Psychiater Reinhard Haller und der frühere Wiener Stadtschulrats-Präsidenten Kurt Scholz, beide Mitglieder der Unabhängigen Opferschutzkommission, sowie Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, an.
Andere Perspektive heute
Anlass der vom Stift in Auftrag gegebenen Untersuchung war ein im Spätsommer 2017 publik gewordener Missbrauchsfall aus dem Jahr 1993 unter Beteiligung eines ehemaligen Klosterneuburger Klerikers, bei welchem dem Stift angelastet wurde, den Beschuldigten damals nicht der staatlichen Justiz zugeführt zu haben. Als 1993 erste Vorwürfe geäußert worden seien, habe das Stift "konsequent im Sinne des Betroffenen gehandelt und den Beschuldigten aus dem Kloster entfernt", hatte Propst Backovsky daraufhin festgestellt. Laut einer Erklärung des Stifts vom September 2017 habe es auf Wunsch der Mutter des Opfers keine Anzeige gegeben.
Im Bericht hieß es nun, die den damaligen Standardprozessen folgende Aufnahme des beschuldigten Mannes habe keine eindeutige Hinweise darauf geliefert, dass der Mann für den geistlichen Beruf nicht geeignet sei. "Aus heutiger Sicht würde man jedoch weiterführende Erhebungen zu einzelnen Angaben zur Persönlichkeit des Bewerbers durchführen", erklärte das Stift nunmehr. Die Ewige Profess habe der Beschuldigte 1991 abgelegt; damals habe es bereits Gerüchte über pädophile Neigungen gegeben, denen die damalige Stiftsleitung nachging, ohne jedoch deren Wahrheitsgehalt bestätigen zu können, hieß es.
Als es dann im Oktober 1993 zum Missbrauch kam, habe die Stiftsleitung dem mutmaßlichen Täter umgehend angeordnet, das Stiftes zu verlassen und selbst um Dispens von seinen Gelübden anzusuchen; andernfalls wäre er entlassen worden. Im Zuge des Dispensverfahrens sei dem Beschuldigten eine Wohnung in Wien zugewiesen worden und er habe auch finanzielle Unterstützung erhalten, auf die er Rechtsanspruch gehabt habe. Hinweise darauf, dass das Stift Klosterneuburg bei der späteren Priesterweihe des Mannes in Rumänien sowie auch bei seinen späteren Anstellungen in deutschen und Schweizer Diözesen und in einem Nonnenkloster im Schwarzwald involviert gewesen sei oder diese unterstützt hätte, fand die Untersuchung nicht.
Gespräch mit dem Opfer
Wie das Stift nunmehr mitteilte, nahm der Klosterneuburger Stiftspropst Bernhard Backovsky die Fertigstellung des Berichts zum Anlass, sich in einem persönlichen Gespräch mit dem Opfer "für die moralische Schuld, die das Stift allenfalls zu verantworten hat, zu entschuldigen". Als Priestergemeinschaft sei dem Stift die Verantwortung bewusst "sowohl für die Strukturen als auch für den Geist und das Selbstverständnis, in denen priesterliches Engagement und Seelsorge erfolgen", wird Backovsky zitiert. Den Fall aus 1993 bedauere man außerordentlich und hoffe, "mit den nun definierten Maßnahmen geeignete Schritte zu setzen, ähnliche Vorfälle bestmöglich zu verhindern". Sollte es dennoch zu Vorfällen kommen, solle den Betroffenen "bestmöglich" geholfen werden.
Quelle: Kathpress