ksoe: Wunsch nach neuem katholischen "Sozialbrief"
Für einen neuen Sozialbrief der katholischen Kirche hat sich die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), Magdalena Holztrattner, ausgesprochen. Zugleich hielt sie im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe) fest, dass die Prinzipien der Katholischen Soziallehre auch tagespolitisch hochaktuell sind.
1991 wurde der bislang letzte Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe verfasst. Es mehrten sich deshalb die Stimmen, die sich für einen aktuellen Sozialhirtenbrief aussprechen. Freilich, bei der Bezeichnung "Sozialhirtenbrief" klinge immer mit, so Holztrattner, "dass sich die Bischöfe dabei etwas ausdenken". Sie plädiere deshalb für einen "Sozialbrief" der katholischen Kirche, "wo nicht quasi von oben nach unten, sondern wo von allen Betroffenen, von allen Engagierten, Interessierten Eingaben gemacht werden, und in einem konziliaren, dialogischen Prozess Fragen und Antworten gemeinsam gesucht werden". Ziel sei jedenfalls ein Dokument, "wo sich die Kirche geschlossen hinstellt als gesellschaftliche Größe und einmahnt, dass wir eine soziale, eine solidarische Gesellschaft sein sollen".
"Das gute Leben aller"
Die ksoe-Direktorin sieht alle Parteien im laufenden Wahlkampf vor allem im Blick auf das Prinzip des Gemeinwohls gefordert: "Weil es um das gute Leben aller Menschen geht." Ein konkretes Beispiel sei der Klimaschutz, so Holztrattner:
Es sollte allen politischen Parteien wirklich wichtig sein, das Klima als Gemeingut so zu schützen, dass unsere als auch nachkommende Generationen wie auch Menschen in anderen Ländern weiterhin leben können.
Das gute Leben aller sollte im Zentrum stehen "und nicht das bessere Leben von ein paar wenigen, die sich vielleicht auch besser schützen können durch Klimaanlagen oder Hochwasserschutzbauten".
Es brauche "die Förderung eines Lebens- und Produktionsstils, wo keine kaputten Seen oder verseuchte Böden, abgebrannte Regenwälder und krankgemachte, ausgebeutete Menschen übrigbleiben". Das alles seien "Kernanliegen der Katholischen Soziallehre, nämlich das gute Leben aller".
Im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip wies Holztrattner auf ein Missverständnis hin: Sehr schnell werde das Subsidiaritätsprinzip auf das Nichteinmischungsgebot reduziert im Sinne von: weniger Staat und mehr privat.
Dabei wird aber vergessen, dass Subsidiarität immer auch das Hilfestellungsgebot der größeren Einheit gegenüber der kleineren hat und zwar, wenn es darum geht, die Eigenständigkeit zu ermöglichen.
Dies macht Holztrattner etwa am Beispiel Bildung fest, dem "Schlüssel für ein gutes Leben", wie sie betont. Der Staat habe sich im Sinne des Gemeinwohls selber zur Pflicht gemacht, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Eltern ihrer Bildungspflicht nachgehen können; etwa durch das System öffentlicher Schulen, die Bezahlung der Lehrerinnen und Lehrer, "genauso wie seit Jahrzehnten die Gratis-Schulbuchaktion, die Gratis-Schulfahrt, damit Schulkinder auch von weiter entfernt zum Beispiel eine höhere Schule besuchen können".
Damit hänge es eben nicht von der individuellen Mobilität und Finanzkraft ab, ob Kinder eine gute Schulbildung erhalten können, so die ksoe-Direktorin. Hier greife der Staat hilfestellend ein, um zu ermöglichen, dass sich die kleinere Einheit, die Familie mit Kindern, gut entwickeln kann.
Solidarität und Nachhaltigkeit
Das Prinzip der Nachhaltigkeit steckt laut Holztrattner in allen Prinzipien der Katholischen Soziallehre. Bei der Menschenwürde als Grundprinzip gehe es nicht nur um einzelne konkrete Menschen, sondern immer um alle Menschen auf dieser Welt. Nachhaltigkeit komme als Begriff aus der Land- und Forstwirtschaft:
Ich muss den Boden so bebauen und pflegen, dass er auch noch nächstes und übernächstes Jahr Früchte tragen kann. Das heißt, die langfristigen Konsequenzen von Entscheidungen sind mitzubedenken.
Hier komme auch das Prinzip der Solidarität zum Tragen. Holztrattner: "Wenn ich etwa einen Lebensstil pflege und fördere, der anderen Menschen die Lebensgrundlage zerstört. Beispielsweise brennt der Regenwald im Amazonasgebiet, weil wir, kurz gesagt, hier bei uns billiges Fleisch haben wollen. Das ist ein unsolidarischer Lebensstil, der nicht nachhaltig ist. Nachhaltigkeit ist ein junger Begriff, aber vom Prinzip her ein sehr altes Anliegen."
Ein weiteres zentrales Prinzip: Die Option für die Armen. Diese sei grundbiblisch. Holztrattner:
Wo tun wir jenen etwas Gutes, die am Rande der Gesellschaft stehen, die getreten, die sprachlich abgewertet werden oder die - auf das Jahr 2019 übersetzt - im Mittelmeer ertrinken, weil sie auf der Suche nach Leben zu uns kommen wollen.
Woche des Grundeinkommens
Die ksoe ist auch an der 12. Internationalen Woche des Grundeinkommens (16. bis 22. September) unter dem Motto "Freiheit durch Grundeinkommen" mit zwei Veranstaltungen beteiligt: "Daten, BGE und Solidarisches Wirtschaften" (16.9.) und "Neuorientierung oder Rückschritt? Soziale Sicherheit in Italien, Österreich, der Europäischen Union" (18.9.).
Am 16. September loten Ronald Blaschke vom Netzwerk Grundeinkommen Deutschland und Markus Blümel, Mitbegründer des Netzwerks Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt - B.I.E.N Austria, aus, wie ein emanzipatorisches Grundeinkommen die Möglichkeiten für alle erweitern würde, "in Freiheit tätig zu sein" und gleichzeitig Solidarisches Wirtschaften stärken könnte (18-19.30 Uhr, ksoe, Schottenring 35/DG, 1010 Wien).
Karin Heitzmann, Sozioökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Josef Kusstatscher, Ex-Abgeordneter im Europäischen Parlament, diskutieren am 18. September europäische Tendenzen in der Sozialpolitik und die Rolle des Grundeinkommens dabei (18-20 Uhr, ksoe, Schottenring 35/DG, 1010 Wien).
Quelle: kathpress