"Ich hätte humanitäres Bleiberecht für Arigona erwartet"
Linz, 20.12.07 (KAP) Pfarrer Josef Friedl, der Betreuer von Arigona Zogaj, hat seine Kritik an Innenminister Günther Platter bekräftigt. Er hätte sich - gerade auch nach seinem persönlichen Gespräch mit Platter, in dem sich der Minister für Friedls Unterstützung des (damals wieder aufgetauchten) Mädchens aus dem Kosovo bedankt hatte - eigentlich erwartet, dass Arigona ein humanitäres Bleiberecht zugestanden wird. Wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt habe, hätte Platter diese Option trotz des abschlägigen Asylantrags für die Familie Zogaj durchaus gehabt, sagte der Pfarrer von Ungenach am Mittwoch in der Ö1-Sendung "Von Tag zu Tag". Dass er es nicht getan habe, sei ein schwerer Schlag für das Mädchen und die Familie gewesen, die in Oberösterreich eine neue Heimat gefunden habe.
Er selbst habe nicht nach dem Recht fragen können, als Arigona und ihre Mutter Hilfe brauchten. Denn er handle nach dem Grundsatz, dort zu helfen, wo seine Unterstützung akut benötigt wird, so Friedl. Auf diese Weise seien auch fünf Asylwerber aus der Mongolei zu ihm in den Pfarrhof gekommen, die davor "zusammengepfercht" in einem Flüchtlingslager wohnen mussten. Ihm sei bewusst, dass er nicht allen helfen könne, aber da, wo ihm Bedürftigkeit in Form konkreter Menschen und Schicksale begegne, versuche er zu helfen so gut er könne, betonte Friedl.
Beeinflusst sei er dabei von der ökumenischen Gemeinschaft von Taize, wo ihm vermittelt worden sei, sich für die Armen und "Kleinen" konkret zu engagieren. Taize-Gründer Frere Roger habe auch dazu ermutigt, das im Leben umzusetzen, was man vom Evangelium verstanden habe - und sei es noch so wenig. Und den Satz Jesu aus dem Neuen Testament: "Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen" habe für ihn immer eine besondere Bedeutung gehabt, wie der Pfarrer betonte.
Dafür nehme er auch manche Kritik in Kauf, die ihm sein Verhalten im "Fall Zogaj" eingetragen habe. Manche würden meinen, er solle sich lieber um seine Pfarre kümmern als sich in politische Themen einzumischen. Andere würden sich daran stoßen, dass er ausgerechnet ein Mädchen mit muslimischem Hintergrund zu seinem Schützling mache. Doch für ihn - so versicherte Friedl - sei esnicht maßgeblich, welcher Religion oder Herkunft ein Mensch sei, alleiniges Kriterium sei seine Bedürftigkeit. Das sehe offenbar auch die Mehrheit der Bevölkerung so, denn die Zustimmung zu seiner Haltung in Briefen und Anrufen sei fünf Mal so hoch wie die Ablehnung.
Der Pfarrer erinnerte gegenüber dem Vorwurf, Vater Zogaj habe wissentlich einen aussichtslosen Asylantrag gestellt, an die Umstände der Flucht der Familie: Als sie den Kosovo im Winter verlassen hätten, habe dort Krieg geherrscht, ihr Haus sei zerstört worden, Arigona habe Tote und Verstümmelte sehen müssen und wie ihre Familie eine Zeitlang nur von Brot, Salz und Wasser gelebt. Die jüngsten Kinder Albin und Albona, die jetzt abgeschoben wurden, könnten die Sprache des Landes gar nicht. "Österreich war die einzige Heimat für sie", so Friedl. In Telefonaten würden die Kinder weinend fragen, wann sie wieder heim nach Österreich kommen dürfen.
Die Frage nach der Berechtigung von Wirtschaftsflüchtlingen stelle sich für ihn in diesem Fall gar nicht, wie Friedl sagte. Wie jeder Mensch hätten auch die Zogajs die Sehnsucht nach einem guten Leben, sie hätten sich in den sechs Jahren in Österreich bestens integriert und selbst versorgt, eine Rückschiebung in ein Katastrophenland wie den Kosovo mache keinen Sinn. Zuwanderung sei in Österreich ein unbestreitbares Faktum, so der Pfarrer. Die Zogajs wären eine gute Wahl, denn gut integrierte und ausgebildete Kinder werde Österreich "in Zukunft dringend brauchen".
Gefahr für Arigona und ihre Mutter
Angst um Arigona Zogaj und ihre Mutter Nurije äußerte Pfarrer Friedl in einem Interview mit der "Oberösterreichischen Rundschau". Für Arigona sei das Leben im Kosovo nicht lebenswert: "Das ist wie eine Lebenszerstörung für sie. Und das ist auch meine Angst, dass alles möglich ist", sagte Friedl. "In einer Panikreaktion" sei ein Selbstmord nicht auszuschließen. Und die Mutter nehme täglich Tabletten, werde ärztlich betreut und sei schon einige Male zusammengebrochen. "Sie können ihr Medikamente geben, so viel sie wollen. Die helfen nicht", meinte Friedl: "Ich habe Angst, dass sie an gebrochenem Herzen stirbt".
Er habe einen negativen Bescheid für die Berufung gegen den ablehnenden Asylantrag erwartet, sagte der Pfarrer. Aber nicht, dass Minister Platter "sofort nachschießt und sagt: Arigona hat keine Chance". Dass Arigona noch bis Schulschluss in Österreich bleiben soll, grenzt für Friedl an eine Farce. "Der Schulalltag ist für die Öffentlichkeit, um ein bisschen 'keep smiling' zu machen. Im Grunde ist das aber Folter". (ende)