Wien: "Gesprächsinsel" seit 10 Jahren Ort für Menschen in Krisen
Am 1. Dezember genau vor zehn Jahren hat die "Gesprächsinsel" in der Wiener Innenstadt zum ersten Mal ihre Pforten geöffnet. Seither hatten die ehren-und hauptamtlichen Mitarbeiter der Einrichtung mit insgesamt 45.000 Hilfe und Rat suchenden Menschen Kontakt und führten 8.500 ausführliche Gespräche. Ins Leben gerufen hatten die "Gesprächsinsel" 2008 Österreichs Ordensgemeinschaften in Kooperation mit der Erzdiözese Wien. Am Montag luden Verantwortliche zu einem Festakt in Wien anlässlich des Jubiläums.
Die "Gesprächsinsel" fungiere als Seismograf für den Zustand der Gesellschaft und die Nöte der Menschen, auf die es Antworten brauche, "damit daraus nicht ein Tsunami wird oder ein Feuerbrand, wie wir ihn gerade in Paris erleben", betonte Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs. Dort werde Menschen ohne viel Bürokratie geholfen, "sie werden gehört, so wie sie gerade sind und können einfach reden".
Die Idee dazu hatte P. Lorenz Voith 2005 von Innsbruck nach Wien mitgebracht. Drei Jahre habe es gedauert, bis Kardinal Christoph Schönborn und P. Erhard Rauch, damals Generalsekretär der Männerorden Österreichs, das Papier zur Gründung am 1. Dezember 2018 schließlich unterschrieben hätten. Seither engagieren sich sowohl Ordensangehörige und Priester als auch Laien in der Seelsorge-Einrichtung. Für Voith ist die Einrichtung eine gute Ergänzung zum "normalen Betrieb in der Kirche", denn das Angebot könne anonym, kostenlos und ohne Anmeldung genutzt werden. Wien war in den letzten Jahren auch Ideengeber für Gesprächsinseln in Budapest und in Lemberg. In wenigen Tagen wird darüber hinaus eine Dominsel in Eisenstadt eröffnet.
Menschen in Orientierungsphasen
Das Angebot richte sich vor allem an Menschen in Orientierungsphasen, erläuterte Martin Wiesauer, Geschäftsführer der Kategorialen Seelsorge der Erzdiözese Wien. "In der 'Geprächsinsel' finden sie Menschen, die im Glauben beheimatet sind und daraus Orientierung geben können." Authentische Christen seien durchwegs gefragte Gesprächspartner. Der Lebensbereich Stadt werde aufgrund seiner Diversität und Größe oft zu einem Ort der Einsamkeit. Hier müsse die Kirche ein Angebot setzen, die "Gesprächsinsel" ziele genau auf diese Problematik ab.
Bischofsvikar Dariusz Schutzki richtete im Namen von Kardinal Christoph Schönborn Glückwünsche an die Verantwortlichen. Die Mitarbeiter der "Gesprächsinsel" würden mit Not beladenen Menschen helfen, "dann gehen sie wieder mit erhobenem Haupt in den Alltag zurück", so der Bischofsvikar. Im Fokus stehe immer der ganze Mensch, der nicht auf seine Probleme reduziert werden dürfe, erläuterte Sr. Hemma Jaschke, Leiterin der Österreichischen Provinz der Steyler Missionsschwestern. Die "Gesprächsinsel" sei ein Ort des Schutzes, der Begegnung und der Wertschätzung, "wo sich Menschen fallen lassen können".
Für etwas "ganz Besonders" hält die "Gesprächsinsel" Bezirksvorsteher Markus Figl. Das Angebot mache deutlich, "was wir in der Welt brauchen". Kommunikation laufe heute zumeist digital, Menschen sehnten sich aber nach Gesprächen von Angesicht zu Angesicht. Für Wien sei es essenziell, eine "Insel der Menschlichkeit" zu haben, denn gerade in Großstädten würden viele Menschen oft vereinsamen.
Der Großteil der Ratsuchenden ist weiblich. Zwischen 2016 und 2017 machten Frauen fast 70 Prozent aus. Überdurchschnittlich repräsentiert waren in den letzten zehn Jahren Menschen zwischen 30 und 60 Jahren. Von 2016 bis 2017 waren mehr als 50 Prozent der Klienten in diesem Alter. Die Gesprächsinhalten drehen sich vor allem um die Themen Glaube, Soziales, Familie und psychische Erkrankungen. Das Team besteht aus Projektleiter P. Lorenz Voith, vier hauptamtlichen und 36 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die seit 2008 insgesamt 25.382 (Stand 30. Juni 2018) Stunden in der "Gesprächsinsel" präsent waren. Die 41 Seelsorger kommen aus unterschiedlichen Berufen. Alle haben eine Ausbildung in Gesprächsführung und bringen einen fundierten und reflektierten christlichen Glauben mit. Weiterbildungen und regelmäßige Supervisionen unterstützen die Mitarbeiter. Sechs der 41 Mitarbeiter sind Priester. (Info: http://www.gespraechsinsel.at)
Quelle: kathpress