Geist: In Wien auch künftig christlichsoziale Werte wichtig
Der neue evangelische Wiener Superintendent Matthias Geist hat im Interview mit der "Wiener Zeitung" (Donnerstag) angekündigt, sich in gesellschaftspolitischen Diskussionen - wenn nötig - deutlich zu Wort zu melden. Wenn es um Fragen des Gesundheitswesens, der Pflege, Arbeitslosigkeit, Mindestsicherung, Flüchtlinge oder Integration geht, wird die evangelische Kirche in Wien ihre Stimme "ganz laut erheben, damit wir in Wien auch weiterhin christlich-soziale oder sozialdemokratische Werte, wenn man sie so nennen will, verwirklicht sehen", so Geist.
Er blickte im Interview auf 17 Jahre Gefangenenseelsorge zurück:
In meinem Amt ging es darum, darauf zu achten, dass sich die Gesellschaft nicht spalten lässt, sondern zueinander zurückfindet. Im Haftalltag sind die einen verdächtig oder verurteilt und deshalb auf der einen Seite der Gitter und Mauern, die anderen draußen fühlen sich allzu sicher und zu gerecht, als dass sie jemals hineinkommen könnten.
Er habe immer auf einen Austausch geschaut, "den es ja für die Resozialisierung braucht".
Bei einer "Law and Order"-Politik sei es sicher öfters nötig, Politiker und andere Verantwortungsträger in ihre Verantwortung zurück zu mahnen, so der neue Superintendent:
Wir brauchen ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander mit Vorverurteilungen.
In Wien seien soziale Werte in hohem Ausmaß da, hielt Geist fest, fügte freilich hinzu:
Wo es aber schon Begrenzungen gibt, wo Stimmen laut werden dürfen, wer aller nicht soziale Unterstützung in entsprechendem Umfang wert ist, dort möchte ich schon auch, dass wir als Evangelische uns dagegen aussprechen.
Angesprochen darauf, dass er mit der früheren Grünen-Chefin Eva Glawischnig und dem jetzigen FP-Innenminister Herbert Kickl die Schulbank gedrückt und maturiert habe, sagte Geist: "Ich halte beide für sehr intelligente Menschen, die aus ihrer Grundüberzeugung nie ein Hehl gemacht haben. Die dezidierte Parteienzuordnung hätte ich damals vielleicht noch nicht gesehen, obwohl sich Eva Glawischnig als Klassensprecherin für den Umweltschutz eingesetzt hat." Aktuell hätte er sicher für beide eine Botschaft. Herbert Kickl würde er beispielsweise gerne einmal in der Asyldebatte die Sichtweise der evangelische Kirche darlegen, "dass es auf eine unabhängige Rechtsberatung für Flüchtlinge hinauslaufen muss und das nicht aus einer Ecke des Innenministeriums kommen sollte".
Kein Beschluss über Gemeinden hinweg
Bei der jüngsten evangelisch-lutherischen Synode wurde beschlossen, dass die Pfarrgemeinden nochmals beraten sollen, ob es in der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich künftig "Trauungen" für homosexuelle Paare geben wird, bevor im kommenden März die Synode einen endgültigen Beschluss fasst. (Die Tendenz dafür war bei der Synode freilich deutlich.) Superintendent Geist meinte dazu im "Wiener Zeitung"-Interview:
Wir wollen jede Liebe, die auf gegenseitiges Vertrauen und Fürsorge ausgerichtet ist, segnen. Aber es war wichtig, alle Argumente ernst zu nehmen. Es ging darum, dass wir einen Beschluss nicht über die Gemeinden hinweg fassen, sondern ihn auf eine tragfähigere Grundlage stellen.
Zur Frage, ob es möglich wäre, dass es dann in einigen Pfarren homosexuelle Trauungen gibt und in anderen nicht, meinte Geist, die einzelnen Gemeinden "dürfen und sollen noch einmal darüber nachdenken, ob und wie sie den Grundsatzbeschluss der Synode umsetzen können und wollen". So könne es tatsächlich auch sein, dass sich bei der Umsetzung im März im Einzelfall dann eine unterschiedliche Herangehensweise ergibt. Aber es sollte in jeder Diözese eine Möglichkeit für schwule oder lesbische Paare geben, sich kirchlich trauen zu lassen. Es werde allerdings kein Pfarrer und keine Pfarrerin dazu gezwungen.
Zum Thema "homosexuelle Priester" sagte Geist, dass es in Österreich durchaus mehrere gebe, die sich offen dazu bekennen.
Sie sind wunderbare Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, haben aber sicher auch schon im Einzelfall eine Zurückweisung erfahren.
Es könne gesellschaftlich bedingt in manchen Pfarren eine gewisse Skepsis vorhanden sein, "auf die wir Rücksicht nehmen müssen". Ich wolle auch hier niemanden bevormunden, "wie er oder sie zu denken hat". Man könne aber aus theologischer Überzeugung sagen:
Jeder Mensch ist von Gott so geliebt, wie er ist, und auch mit seiner sexuellen Orientierung ausgestattet und soll in keiner Weise durch unser Kirchenrecht diskriminiert werden.
Evangelische Bischöfin?
Zur Frage, wie die Chancen stehen, dass bei der kommenden Bischofswahl am 4. Mai 2019 in der evangelischen Kirche eine Frau zum Zug kommt, äußerte sich Geist vorsichtig. "Ich sehe da auf jeden Fall eine Chance. Allerdings sind jene, die in Frage kämen, in einem Alter, dass es eine sehr kurze Amtszeit wäre." Aber auch sie könnten nominiert werden. Selbiges gelte für "die heranwachsende Jugend, die vielleicht noch zu jung ist". Sie sollte trotzdem in Erwägung gezogen werden. "Es gibt sicher potenzielle Kandidatinnen, aber die sieben Diözesen entscheiden, wen sie nominieren", so der neue Wiener Superintendent wörtlich.
Matthias Geist ist seit 1. Dezember neuer Superintendent der evangelisch-lutherischen Diözese Wien. Diese hat rund 48.500 Mitglieder in 21 Pfarren.
Quelle: kathpress