Gefängnisseelsorger: "Jeder Mörder bereut die Tat"
Seit August 2012 übt Andreas Liebl das Amt des Seelsorgers in der Justizanstalt Innsbruck aus und führt dort mit Inhaftierten vertrauliche Gespräche. Einige davon sitzen auch wegen Mordes ein. Spricht er mit Mördern, sei vor allem das "Zurückdrehen der Zeit" ein prominentes Thema. "Alle Mörder, mit denen ich bisher zu tun hatte, wollten diesen einen Moment rückgängig machen", sagte der Gefängnisseelsorger in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Tageszeitung "Krone".
Vor allem rund um Weihnachten sei der Gesprächsbedarf bei den Häftlingen groß. "Diese Zeit ist für viele Insassen sehr schwer, weil Erinnerungen aus der Familie besonders aufsteigen. Das setzt allen zu. Im Advent habe ich tatsächlich die meisten Anfragen und oft gefühlsgeladene Gespräche", erläuterte der Seelsorger. Im Schnitt führt Liebl 30 Gespräche pro Woche, die jeweils rund eine Stunde dauern.
Die Gesprächsthemen seien dabei sehr unterschiedlich. "Da können zum Beispiel die Straftaten selbst, Probleme mit der Familie oder Beziehungsangelegenheiten Thema sein; und manchmal ist es auch nur die Sehnsucht nach einem guten Wort und dem Gebet, das man lange vermisst hat." Seine Aufgabe als Gefängnisseelsorger sehe er nicht darin, den moralischen Zeigefinger zu heben, sondern Hilfe zu verantwortlichem und tragbarem Leben zu geben. "Ich selbst bin nicht Ankläger und nicht Richter."
Straftäter hätten ein moralisches Recht auf Seelsorge, sagte Liebl. Begründet sei dieses Recht im Glauben an einen barmherzigen Gott und in der Menschenrechtskonvention. Die Anliegen der Häftlinge übergebe er "unserem Herrgott", das habe seine Aufgabe bisher "ungemein erleichtert".
Bischöfe besuchen Gefangene
In den Tagen vor dem Heiligen Abend besuchen auch die österreichischen Bischöfe traditionell Justizanstalten. Sie kommen damit einem Grundauftrag der Kirche nach, Menschen in Not und am Rand der Gesellschaft die hoffnungsvolle Weihnachtsbotschaft zu bringen.
In der Erzdiözese Wien feiert Kardinal Christoph Schönborn am 19. Dezember um 15 Uhr eine Adventfeier im Grauen Haus in der Justizanstalt Josefstadt. In Niederösterreich besucht der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz am 18. Dezember Häftlinge und das Personal der Justizanstalt Krems-Stein und feiert mit ihnen einen vorweihnachtlichen Gottesdienst. Weihbischof Anton Leichtfried geht am gleichen Tag in die Justizanstalt St. Pölten.
Der Kärntner Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger besuchte am 14. Dezember das landesgerichtliche Gefangenenhaus in Klagenfurt. In der Diözese Linz feierte Bischof Manfred bereits am 11. Dezember mit Insassen der Justizanstalt Linz. Am 13. Dezember war er in der Justizanstalt Garsten zu Gast.
In der Steiermark feiert Bischof Wilhelm Krautwaschl am 19. Dezember eine Weihnachtsfeier in der Justizanstalt Leoben. Der Feldkircher Bischof Benno Elbs besucht am 18. Dezember die Justizanstalt Feldkirch. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler war bereits am 10. Dezember in der Justizanstalt Völs. Am 20. Dezember findet in der Justizanstalt Salzburg am Standort Puch/Urstein um 13 Uhr ein Wortgottesdienst mit Erzbischof Franz Lackner statt.
Muser: Menschlicher Respekt ehrt Gott
Einen vorweihnachtlichen Besuch hat Bischof Ivo Muser am Montag dem Bozner Gefängnis abgestattet. "Was wir brauchen, ist nicht eine perfekte Gesellschaft", betonte der Südtiroler Bischof beim Wortgottesdienst mit Inhaftierten, Bediensteten, Förderern und ehrenamtlichen Helfen, "was wir brauchen, ist eine menschliche Gesellschaft".
In der Wortgottesfeier erinnerte der Bischof daran, dass Jesus die Menschen eingeladen habe, in jeder Lebenslage Menschlichkeit zu leben, "gerade dann, wenn wir uns Schmerz, Einsamkeit und Leiden gegenüber sehen". Gerade vor Weihnachten müssten die leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit entdeckt werden, zu denen nicht nur die Speisung Hungriger, die Beratung Zweifelnder und die Aufnahme Fremder gehöre, sondern auch der Besuch von Gefangenen.
Man ehre Gott, so der Bischof, indem man sich gegenseitig mit Respekt behandle, was für Inhaftierte ebenso gelte wie für die Mitarbeiter im Strafvollzug. "Sie leisten eine wichtige, eine heikle Aufgabe, die von der Gesellschaft oft nicht genug geschätzt wird", betonte Muser, der den Inhaftierten wünschte, stets Menschen um sich zu haben, die ihnen nahe seien - auch und besonders während ihrer Haftstrafe. "Mein Dank gilt allen, die sich für euch einsetzen", so der Bischof.
Muser erinnerte die Inhaftierten daran, dass Vergangenes nicht geändert werden könne. "Die Zukunft aber wird noch geschrieben - mit eurer ganz persönlichen Verantwortung und der Gnade Gottes", so der Bischof. Wer aus Fehlern lerne, könne ein neues Kapitel im Leben aufschlagen. Muser:
Niemand von euch muss seine Würde verlieren, niemand ist weniger wert, denn Gott verzeiht und hilft euch, euer Leben zu ändern.
Weihnachten sei das Fest, in dem die Menschwerdung Gottes gefeiert werde: "Dass sich Jesus mit den Menschen identifiziert, auch mit denen, die falsche Entscheidungen getroffen haben, macht die wirkliche Neuheit und die Schönheit des christlichen Glaubens aus", erklärte der Bischof. "Jesus ist geboren und auch in diesem Gefängnis zuhause", so Muser, "daher wünsche ich euch allen viel Hoffnung, Menschlichkeit und Solidarität".
Quelle: kathpress