Viele biblische Motive in Harry Potter
Zu einer klar positiven Bewertung von Harry Potter kommt der Linzer Theologe Christoph Niemand. Die Romanreihe der englischen Schriftstellerin Joanne K. Rowling behandle die großen Fragen der Menschheit und greife dabei auf viele Themen der Bibel zurück, legte der Professor für Altes Testament an der Katholischen Privatuniversität Linz in der Wiener Kirchenzeitung dar. "Der Sonntag" widmete dem seit zwei Jahrzehnten von einem Millionenpublikum gelesenen, mehrfach verfilmten und in Kirchenkreisen teils umstrittenen Fantasy-Geschichten des jungen Zauberlehrlings die dieswöchige Titelgeschichte.
Rowling behandle in ihrem Potter-Epos nicht nur Grundthemen wie Liebe und Gewalt, Freiheit und Bestimmung des Menschen, sondern folge dabei auch "eindeutig der Logik der Bibel", urteilte Niemand nach laut eigenen Angaben zehnmaliger Potter-Lektüre.
Der ganze Plot steht zwischen der Sündenfallgeschichte in Genesis 3 - die Erzählung von der Schlange, das Sein-Wollen wie Gott, das Nicht-Sterben-Wollen und gerade dann aber auch Sterben-Müssen - und dem großen Auferweckungskapitel des Pauls im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth, wo es ja heißt: Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.
Die Frage nach der Überwindung des Todes begleite Rowlings Leser "praktisch auf Schritt und Tritt", so der katholische Bibelexperte weiter. Harrys Gegner, der schwarze Magier Lord Voldermort, sei wie besessen vom Wunsch nach Unsterblichkeit und damit auch, "wie Gott zu sein". Er versuche dabei, "seinen eigenen Tod auf Kosten aller anderen unmöglich zu machen". Als sich Harry am Ende Voldermort ausliefert, zeige sich dann jedoch, "dass das einzig denkbare Mittel, um den Tod zu überwinden, die Liebe ist. Das ist auch bei Potter die einzige Gegenmacht, die es gibt", betonte Christoph Niemand.
Harry erkenne im Verlauf der Romane den Ausweg, Tod und Hass mit Liebe zu bekämpfen, indem er sich selbst für seine Freunde opfert und im Endkampf nicht den "Todesfluch" verwendet, sondern seinen Gegner lediglich entwaffnen will. Die Frage nach der Überwindung des Bösen und der Gewalt stelle sich besonders im letzten Band, so der Theologe.
Die Antwort unserer Welt darauf ist, wenn du Gewalt, wenn du den Feind besiegen willst, dann musst du besser im Töten sein. Aber durch das Töten des Feindes wird nie Frieden, gibt es nie Vergebung und Versöhnung.
Das Durchbrechen des Kreises der Gewalt sei laut Niemand "Erlösung im christlichen Sinn". Der Romanheld vollziehe dies durch seinen "Opfergang" in den "Verbotenen Wald", der nicht einfach ein Heldentod sei.
Böses nicht vorherbestimmt
Der Autorin sei zudem eine differenzierte Darstellung des Bösen gelungen, hob Niemand würdigend hervor. Bei Rowling gehe es "nicht um das Urböse", sondern sie zeige, dass das Böse stets in menschlicher Freiheit liegt, was ein "urbiblischer Gedanke" sei. Das Böse stehe nicht als "Urmacht" neben dem Schöpfergott, sondern sei der Preis dieser Freiheit. "Voldemort ist nicht das Böse schlechthin. Er ist auch nicht notwendig zum Bösen vorherbestimmt. Er ist ein Mensch wie Harry, der aber böse wird." Harry habe eine ähnliche Jugend als ungeliebtes Kind gehabt, sei ebenfalls von Menschen aufgezogen worden, die ihn nicht mögen. "Warum wird Harry ein Mensch, der lieben kann, der sich engagiert für andere, der Nachteile in Kauf nimmt für andere und opferfähig wird und Voldemort nicht?" Das sei die zentrale Frage der Geschichte.
Harry Potter aus Gesichtspunkt der Bibel zu lesen sei kein "Hineininterpretieren" und kein Überstülpen eines theologische Konzepts, so Niemands Überzeugung. Joanne K. Rowling sei eine bekennende Christin, wisse um die Parallelen und habe in Interviews auch dargelegt, dass sie beim Verfassen der Romane sehr mit ihrem Glauben gerungen habe.
Quelle: kathpress