Moraltheologe hofft auf Weiterentwicklung kirchlicher Tierethik
Der Moraltheologe Michael Rosenberger spricht sich für eine rasche Weiterentwicklung der offiziellen kirchlichen Lehre im Bereich Tierethik aus. Der Katechismus betrachte Tiere immer noch vorwiegend aus einer Nutzen-Perspektive, kritisierte der Professor an der Katholischen Privat-Universität Linz am Mittwoch im Gespräch mit "Kathpress". Die entsprechenden Paragraphen müssten allerdings im Licht aktueller Erkenntnisse der Bibelauslegung, der Umweltenzyklika des Papstes und der gerade laufenden ethischen Debatte neu gelesen werden.
Rosenberger sprach mit Bezug auf den Katechismus von einer rein anthropozentrischen Sichtweise, die so nicht mehr haltbar sei. Klar werde das etwa an der Umweltenzyklika des Papstes sichtbar, in der Franziskus explizit von einer in der Bibel grundgelegten "Eigenwertigkeit der Geschöpfe" spreche. Bedeutend sei für eine solche Position das biblische Buch Genesis, das den Bund zwischen Noah und Gott beschreibe, der auch die Mitgeschöpfe miteinschließe.
Dass Tiere in der kirchlichen Lehre ein eher stiefmütterliches Dasein fristen, führt der Moraltheologe darauf zurück, dass das Bemühen der Kirche vor allem dem Menschen gelte. Von diesem Standpunkt aus ließen sich zwar ökologische Maßnahmen gut begründen, "beim Tierschutz geht es allerdings nicht mehr um den Menschen", so Rosenberger. Er nehme in der Debatte um die Stellung der Tiere allerdings eine "massive Bewegung" wahr, auch in der katholischen Kirche. Deutlich werde das etwa an der Publikationstätigkeit der letzten 20 Jahre, sowie auch in der Umweltenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus, "die vor zehn Jahren kaum denkbar gewesen wäre", bemerkte der Theologe.
Als vorbildlich nannte Rosenberger das Vorgehen der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), die in im September das Grundsatzpapier "Nutztier und Mitgeschöpf! Tierwohl, Ernährungsethik und Nachhaltigkeit aus evangelischer Sicht" veröffentlicht hatte. "In dieser Ausführlichkeit, rein fokussiert auf Tiere, gibt es nichts Vergleichbares", lobte der Moraltheologe das Dokument. Es würden darin Aussagen der theologischen Tierethik aus den letzten fünf Jahren zusammengefasst und damit einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Die Publikation erteile der reinen Nutzen-Perspektive eine klare Absage und führe davon ausgehend aus, was diese Position etwa für globale Zusammenhänge oder die landwirtschaftliche Produktion bedeute.
Das von der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung erarbeitete und vom EKD-Rat einstimmig verabschiedete Papier geht aus von der theologischen Frage, was die christliche Tradition zum Verhältnis von Mensch und Tier sagt. Der Umgang der Gesellschaft mit Nutztieren - wie etwa Fragen der Nutztierhaltung, der Tiertransporte, der Tierschlachtung sowie der Ernährungsethik - werden in dem Papier eingehend behandelt und Auswirkungen auf die Umwelt sowie die globale Entwicklung dargestellt. Es nimmt aber auch die (evangelische) Kirche in die Verantwortung. "Darin wird nicht nur geredet und anderen Vorschriften gemacht, sondern man greift sich auch an die eigene Nase und fragt, wie kann Tierethik in der Lehre und im Tun der Kirche besser verankert werden", würdigte Rosenberger das Dokument.
Erklärtes Ziel des Dokuments "Nutztier und Mitgeschöpf" ist es auch, einen Diskurs mit allen beteiligten gesellschaftlichen Akteuren wie der Politik, der Landwirtschaft, dem Lebensmittelhandel und dem Verbraucher zu eröffnen und sie in ihrer besonderen Verantwortung für das Tierwohl zu bestärken.
Quelle: kathpress