"Soziale Innovation" wurzelt oft im kirchlichem Kontext
Das auch von der EU-Kommission propagierte Konzept der "sozialen Innovation" als Finden neuer Lösungen für Probleme, die der Staat allein nicht lösen kann, entsteht auch oft in kirchlichen Kontexten und wird mit christlicher Motivation umgesetzt. Darauf haben die Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich (ksoe), Magdalena Holztrattner, und mit Markus Schlagnitweit und Bernhard Leubolt zwei weitere ksoe-Fachleute in einem gemeinsamen Blog-Beitrag hingewiesen. Als Beispiel dafür schilderten sie ein Recycling-Projekt von vormals Ausgegrenzten in Brasilien, von dem sowohl die Beteiligten als auch die Gesamtgesellschaft profitiere.
Die EU-Kommission definierte "soziale Innovation" als "Entwicklung und Einführung neuer Ideen (Produkte, Dienstleistungen und Modelle), um soziale Bedürfnisse zu befriedigen und neue soziale Beziehungen und Zusammenarbeit zu kreieren", erinnerten die ksoe-Mitarbeiter an ein Papier des Jahres 2013. Soziale Innovation stehe für neue Antworten auf drückende soziale Fragen; sie ziele auf verbesserte gesellschaftliche Wohlfahrt ab, verbessere aber auch die individuelle Handlungsfähigkeit.
Neue Wege der Zusammenarbeit von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren - Zivilgesellschaft und Unternehmen - öffneten sich laut Holztrattner, Schlagnitweit und Leubold auch bei dem bereits in den späten 1980er Jahren entstandenen Projekt mit Sammlern von verwertbarem Material. Sozial benachteiligte Menschen sammeln recyclingfähige Materialien von der Straße und verkaufen sie dann an Zwischenhändler. Damit für diese ökologisch wertvolle Tätigkeit nicht nur ein Hungerlohn bezahlt wird, initiierte die christliche NGO "Organização de Auxilio Fraterno" in Sao Paulo eine Kooperative: 1989 entstand "Coopamare", weitere Zusammenschlüsse folgten.
Menschenwürde von Marginalisierten
"Es gelang über die Jahre, einerseits das Selbstvertrauen der Beteiligten zu stärken und andererseits das gesellschaftliche Bild von Materialsammelnden zu verändern", wiesen die ksoe-Experten hin. Diese würden zunehmend nicht mehr als obdachlose Hilfsbedürftige oder gar "Störenfriede", sondern ihre Dienste für den Umweltschutz als positiver Beitrag zur Gesellschaft wahrgenommen. Die von der Katholischen Soziallehre als Eckpfeiler betrachtete Menschenwürde gerade auch von politisch Marginalisierten und sozial Abgewerteten komme bei diesen Beispiel deutlich zum Ausdruck, heißt es in dem Blog-Beitrag. Soziale Innovationen könnten eine inspirierende Kraft entwickeln für politische, soziale und wirtschaftliche Teilhabe.
Freilich berge das Konzept sozialer Innovationen auch Gefahren, wiesen die drei Autoren hin: Die aktivere Einbindung von Bürgern und der Ausbau ehrenamtlicher Tätigkeiten könne zur Verdrängung von Frauen aus dem bezahlten Arbeitsmarkt in den Bereich unbezahlter Tätigkeiten führen. Oder aber: Wenn soziale Innovation als Chance zum Rückbau des traditionellen Sozialstaats missverstanden wird, "droht die Gefahr eines weiteren Zerfalls der großen gesamtgesellschaftlichen Solidarität in viele Gruppen- bzw. 'Teil-Solidaritäten' - zum Schaden des gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalts", gaben Holztrattner, Schlagnitweit und Leubold zu bedenken. Würden soziale Innovationen aber als Chance für die komplementäre, zivilgesellschaftliche Ergänzung und qualitative Verbesserung staatlicher Sozialpolitik verstanden, leisteten sie einen wichtigen Beitrag zum "guten Leben für alle". (Link: https://blog.ksoe.at)
Quelle: kathpress