
Linzer Caritasdirektor befürchtet deutlich mehr Armut im Herbst
"Sorge, dass die Armut erst in den nächsten Monaten schlagend wird", hat im Blick auf die Corona-Krise der Direktor der Caritas Oberösterreich, Franz Kehrer, geäußert. Viele hätten sich bisher auf Ersparnisse gestützt, die sie jetzt aufbrauchen. Als Sicherheitsnetz sollte die Sozialhilfe so weiterentwickelt werden, dass sie wirklich zu einer bedarfsgerechten Hilfe für Menschen in Not wird, riet Kehrer in einem Interview der "Oberösterreichische Nachrichten" (OÖN) vom Mittwoch.
Die Caritas müsse bei ihrer Armutsbekämpfung mit Einbußen durch ausgefallene Spenden zurechtkommen, bedauerte deren Chef in der Diözese Linz. Ihre Haussammlung im April und Mai, die sonst 1,5 Millionen Euro einbringe, habe wegen der Pandemie verschoben werden müssen. Ein Drittel davon werde durch Spenden für die Caritas-Nothilfe in der Corona-Zeit abgedeckt, weitere 188.000 Euro aus dem Corona-Fonds der Bischofskonferenz. Damit fehlten jedoch letztlich etwa 800.000 Euro für Menschen in Not, teilte Kehrer mit.
Und auch die angespannte Finanzlage der Diözese Linz durch Ausfälle bei den Kirchenbeiträgen werde sich auf die Caritas OÖ auswirken - auch wenn diese nur zu zwei Prozent aus Kirchenbeiträgen finanziert wird. "Wenn die Diözese sparen muss, trifft das auch uns", so Kehrer. Wenn die Kirche ihre Ausgaben zurückfahren müsse, "dann hat das Auswirkungen auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft".
Dabei seien die Anforderungen an die Caritas OÖ durch die Krise gewachsen, wies der Direktor hin. Wie auch in anderen Diözesen seien die Anfragen an die Sozialberatungsstellen deutlich gestiegen - in Oberösterreich um 30 Prozent und oftmals durch Menschen, die sich davor noch nie an die Caritas gewandt hatten. "Wir konnten unmittelbar mit Geld helfen und Lebensmittelgutscheine per Post verschicken", berichtete Kehrer.
Von 358 Senioren niemand infiziert
Die größte Herausforderung sei gewesen, dass sich keiner der 358 Bewohner in den vier Caritas-Seniorenwohnhäusern infiziert. "Gott sei Dank ist das gelungen", sagte Kehrer. Durch das Tragen der Schutzausrüstung durch die Mitarbeiter sei es zu keinen Ansteckungen gekommen. Viele Bewohner von Pflegeheimen seien durch die lange Sperre an ihre Grenzen gekommen: "Wie erklärt man Menschen mit Behinderung, dass sie nicht außer Haus dürfen?", fragte der Caritasdirektor. Gerade zu Ostern und am Muttertag seien die Kontaktbeschränkungen für viele schmerzhaft gewesen. Es galt, "im Einzelfall mutig zu entscheiden und Besuche mit größtmöglichen Sicherheitsmaßnahmen zu ermöglichen", blickte Kehrer zurück.
Da anfänglich "größte Sorge", dass in der 24-Stunden-Pflege alle Pflegerinnen abreisen und das System zusammenbricht, habe sich Gott sei Dank als Fehleinschätzung erweisen. Die Pflegerinnen seien sehr lange geblieben - oft 13, 14 Wochen.
Die meisten jener 900 von 3.300 oberösterreichischen Caritas-Mitarbeitern, die im April in Kurzarbeit waren, sind laut Kehrer seit Ende Juni wieder zurück. "Dort, wo es direkt um Menschen in Not gegangen ist, war die Caritas immer voll leistungsfähig."
Caritas stützt Glaubwürdigkeit von Kirche
Kritische Anmerkungen äußerte der Linzer Caritas-Chef zur Vatikan-Instruktion zu Pfarrreformen und zur Umgestaltung der Katholischen Sozialakademie. Aus Rom hätte er sich "natürlich ein mutigeres Signal gewünscht, dass Frauen, Männer und Laien, die im kirchlichen Leben vieles aufrechterhalten, stärker gesehen werden". Er sei dennoch zuversichtlich, dass die Strukturreform in der Diözese Linz auf Schiene bleibt. Und die Krise der Sozialakademie "könnte man auch in einer anderen Weise versuchen zu lösen, ohne gleich Kündigungen als erste Botschaft in den Raum zu stellen", meinte Kehrer.
Auf die Frage, wie die katholische Kirche aus ihrer Krise herausfinden kann, nannte der Caritas-Vertreter folgenden "Schlüssel": Es gelte "glaubwürdig auf der Spur Jesu zu sein im Einsatz für Gerechtigkeit und die Schwächsten in der Gesellschaft". Papst Franziskus betone oft, dass dies der Platz der Kirche sei. "Wenn das glaubwürdig gelebt wird, eben auch durch die Caritas, dann hat die Kirche eine Zukunft", zeigte sich Kehrer überzeugt.
Quelle: kathpress