Polak zu Moria: Langfristig hilft nur Politik gegen Ungleichheit
Zu einer Perspektive über die - aus ihrer Sicht notwendige - Akuthilfe für die Flüchtlinge aus dem griechischen Lager Moria hinaus hat die Wiener Theologin und Werteforscherin Regina Polak aufgerufen: Es gelte nicht die Flüchtenden zu bekämpfen, "sondern die Ursachen ihrer Flucht... Da ist viel Luft nach oben in Österreich und Europa", sagte Polak im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen. Es brauche eine "Wirtschaftspolitik mit international solidarischem Horizont" sowie Friedensinitiativen. Die Migration werde von der globalen Ungleichheit angetrieben, die "offensiv bekämpft" werden müsse, "sonst wachsen Aggression und Gewalt", warnte die Theologin.
Die historische Erfahrung zeigt, dass Gewalt entsteht, wenn die Ungleichheit zu groß wird.
Polak kritisierte Angst schürende Äußerungen in Politik und Medien. "Es muss doch möglich sein, dass man in Europa 12.000 Leute aufnimmt und verteilt", äußerte sie "Scham" über die Verweigerung dessen. Die Menschen in Europa hätten zwar viele gute Gründe, Angst zu haben: etwa die Klimakatastrophe, die Wirtschaftskriege der Großmächte, oder die Folgen der Corona-Pandemie. "Doch dass Politiker durch ihre Aussagen die Ängste fördern, halte ich nicht für klug", sagte Polak.
Statt auf durchaus Vorzeigbares bei der Förderung einer eigenständigen Wirtschaft, bei der Armutsbekämpfung in Krisenländern und beim Einsatz für Konfliktbeilegung durch die Europäische Union und Österreich hinzuweisen, würden solche Hoffnung gebende Initiativen viel zu wenig bekannt gemacht. "Politikerinnen, Politiker, aber auch Medien thematisieren lieber Migration als Problem", kritisierte Polak. "Weil man damit Angst machen kann?"
Scharfe Kritik richtete sie an die Adresse von Innenminister Karl Nehammer, der die jetzt obdachlosen Menschen nach dem Lagerbrand in Moria "pauschal als gewaltbereite Migranten bezeichnete". Die Pastoraltheologin wörtlich: "Eine solche Verallgemeinerung zerstört langfristig die politische Moral im Land und schürt fremdenfeindliche Vorurteile."
Zukunftsfrage Integration
Man könnte auch ganz anders kommunizieren, z.B. mit Stolz darüber, wie gut in Österreich Integration funktioniere - "auch wenn es noch viel zu tun gibt". Die Integration der Menschen, die nach Europa kommen, spielt nach Überzeugung der zuletzt oft mit Migrationsfragen befassten Theologin "eine immens wichtige Rolle für die Zukunft". Ohne Konflikte unter den Tisch zu kehren - "ein Zeichen lebendiger Integration" - gelte es die Tatsache anzuerkennen, "dass wir längst in einer Migrationsgesellschaft leben", wie Polak darlegte.
Es macht einen Unterschied, ob die Kinder und Enkel der Zugewanderten in Zukunft erzählen werden: 'Das war ein tolles Land, das uns aufgenommen hat' oder 'Das waren furchtbare Jahre, wir waren hier nie willkommen'.
Zu derzeit viel diskutierten Frage, wie eine christlich-soziale Politik angesichts der Fluchtbewegungen aussehen müsste, sagte Polak: "Christlich-sozial" sei keine geschützte Marke, sondern auslegungsbedürftig. "Daher gibt es auch nicht nur die eine richtige und wahre christlich-soziale Politik." Aber es gibt nach den Worten der Theologin "No-Gos, und dazu gehört Fremdenfeindlichkeit".
Quelle: kathpress