Neue Caritas-Generalsekretärin: Fokus auf Kinderarmut und Pflege
Drei Schwerpunkte des Caritas-Engagements in nächster Zeit hat die neue Caritas-Österreich-Generalsekretärin Anna Parr bei ihrer Antritts-Pressekonferenz dargelegt: In den Corona-bedingt "herausfordernden Zeiten" gelte es besonderes Augenmerk auf Kinder und Jugendliche zu legen, die durch die Wirtschaftskrise stärker als davor von Armut bedroht sind; die Caritas sei zweitens in die große Pflegereform involviert, für die das Sozialministerium die Expertise von Hilfsorganisationen nutzen möchte; und drittens gelte es die durch Corona vorangetriebene Entwicklung in Richtung Modernisierung und Digitalisierung voranzutreiben, so Parr.
Die vormalige Gesundheitsmanagerin - die 46-Jährige war Mitglied der Geschäftsleitung der von Ordensspitälern gebildeten Vinzenzgruppe - ist seit 1. Oktober Caritas-Generalsekretärin. Laut Caritas-Präsident Michael Landau, ebenfalls Teilnehmer an der Pressekonferenz am Donnerstag im Wiener Caritas-Lokal "Inigo", ist Parr die erste Frau in dieser Funktion: "Höchste Zeit, wenn Sie mich fragen." Parr sei auch "eine extrem kompetente Frau", die sich schon in ihren ersten zwei Wochen als "spürbare Bereicherung" der Caritas erwiesen habe.
Caritas will "Pakt für Kinder"
Parr stellte ihre Ausführungen in den Kontext des am 17. Oktober begangenen Welttags der Überwindung der Armut, die in Österreich oft "unsichtbar" bleibe. Unter den 1,1, Millionen hierzulande armutsgefährdeten Menschen befänden sich 231.000 Kinder. Parr forderte namens der Caritas einen "Pakt für Kinder", der sich auf drei Säulen stützen soll: materielle Absicherung, Bildung und Gesundheit. Es brauche auch eine politische Debatte über eine Art "Kindergrundsicherung", die die tatsächlichen Familienausgaben für Kinder berücksichtigt. Heranwachsende hätten während des Lockdowns zudem am stärksten unter Einsamkeit gelitten, was den Ausbau von kassenfinanzierten Psychotherapieangeboten erfordere, sagte Parr.
Die Initiative des Sozialministeriums für eine nationale Strategie zur Armutsvermeidung, in der Kinderarmut ein eigener Schwerpunkt sein soll, begrüßte die Generalsekretärin. Bei der geplanten Beiziehung einschlägig tätiger NGOs wolle die Caritas ihre vielen Erfahrungen - als Beispiel nannte Parr das Erfolgsprojekt der österreichweit 54 "Lerncafés" - einbringen.
Teil einer "langfristigen Strategie", die die durchaus wirksamen Akutmaßnahmen der Regierung gegen die Coronakrise ergänzen sollte, muss nach den Worten Parrs auch der Pflegebereich sein. Bei der anstehenden Pflegereform steht für sie eine notwendige Ausbildungsoffensive an vorderster Stelle, denn die Pflege sei "ein Jobmotor". Notwendig sei für die 75.000 bis 2030 benötigten Pflegekräfte eine Ausbildungsoffensive, begleitet von Bemühungen, das Image des Berufes zu heben. Ausbildungen müssten kostenlos in ganz Österreich möglich sein, forderte die vormalige Gesundheitsmanagerin. Und es brauche ein "Zurechtrücken" in den Köpfen der Menschen: "Wir wissen, dass viele Menschen den Pflegeberuf derzeit nicht in Betracht ziehen, weil sie nur die Schwierigkeiten, nicht aber die schönen Seiten dieses Berufes sehen", bedauerte die Generalsekretärin. Dabei sei Pflege ein sinnstiftender Job mit vielen Facetten und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.
In digitale Weiterentwicklung investieren
Parr betonte, dass die Corona-Pandemie einen Modernisierungs- und Digitalisierungsschub ausgelöst hat und so auch etwas im Positiven bewegt hat. "Innerhalb der Caritas und bei anderen Organisationen sind im vergangenen halben Jahr viele Angebote entstanden. Klar ist: dabei müssen immer die Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse im Fokus bleiben. Wir sollten die Chancen der Digitalisierung auch weiter nützen; um Pflegerinnen und Pfleger zu entlasten, um ihnen Zeit freizuschaufeln für die wertvolle Arbeit und vor allem Zeit mit den Menschen", so Parr. Die notwendige digitale Weiterentwicklung koste auch Geld. "Für Investitionen müssen noch Lösungen gefunden werden", meinte Parr.
Die zuletzt vielfrequentierten bundesweit 53 Sozialberatungsstellen der Caritas bezeichnete Anna Parr als "Armutssensor", die anzeigten, dass die Corona-Krise in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Dennoch gebe es Anlass für einen "positiven Blick auf die Zukunft des Sozialbereichs": Die Pandemie habe neben vielen Problemen auch einen Modernisierungs- und Digitalisierungsschub ausgelöst. Innerhalb der Caritas und anderer Hilfsorganisationen seien zuletzt mit dem Ziel, Risikogruppen wirksam zu schützen, viele neue Angebote entstanden. Als Beispiel nannte Parr das "Plaudernetz" mit Telefonaten gegen Einsamkeit. Die Chancen der Digitalisierung wolle die Caritas auch nach Ende der Corona-Krise verstärkt nützen. Für Investitionen, die die notwendige digitale Weiterentwicklung vorantreiben, "müssen noch Lösungen gefunden werden", sagte Parr.
Caritas-Präsident Landau bezeichnete die Corona-Krise als "Stresstest" für viele. Die Hilfe der Caritas werde an allen Ecken und Enden gebraucht. "Oft ist es ja unsere Aufgabe, jenen Menschen, die sonst nicht gehört werden, eine Stimme zu geben", wies Landau hin. Es sei froh, dass mit Anna Parr "diese Stimme nun stärker als bisher eine weibliche sein wird".
Quelle: kathpress