Schlagnitweit: Verletzung der Menschenwürde erfordert Widerstand
Christentum und gesellschaftspolitisches Engagement gehören für den Theologen und Sozialethiker Markus Schlagnitweit untrennbar zusammen. Und wenn es um die Verletzung von Menschenwürde geht, dann sei Widerstand auch gegen staatliche Autoritäten ein Gebot der Stunde. Als Beispiel dafür nannte er die aktuellen Herausforderungen im Blick auf die Flüchtlingsfrage.
Schlagnitweit - er ist aktuell auch Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) - äußerte sich im Rahmen des jüngsten Jour Fixe der Katholischen Publizistenverbands, bei dem er u.a. sein neues Buch "Was würde Jesus tun - Anregungen für politisches Handeln heute" vorstellte, dass er gemeinsam mit der Theologin Daniela Feichtinger geschrieben hat. Ausgehend von ausgewählten Bibelstellen zeigen die beiden Autoren in unterschiedlichen Zugängen, dass es für Christen auch heute eine moralische Pflicht zu couragiertem Widerstand gegen politische Autoritäten geben kann. Gewalt, Unrecht und Machtmissbrauch, insbesondere gegenüber Schwachen und Benachteiligten dürfe nicht schweigend und tatenlos hingenommen werden
Was derzeit an den Rändern Europas passiert, verrate die ureigensten zentralen Werte der Europäischen Union, so Schlagnitweit beim Jour Fixe: "Ich habe das selbst schon von Politikern gehört, dass es den Menschen in den Lagern in Griechenland oder in Bosnien möglichst schlecht gehen soll, damit sie diese abschreckende Botschaft in ihre Herkunftsländer schicken und niemand mehr nachkommt. Das ist aber eine Instrumentalisierung dieser Menschen, die jede Achtung und jedes Respekts entbehrt. Das darf nicht sein und hier muss auch von christlicher Seite massiv Widerstand geleistet werden." Er begrüße es diesbezüglich sehr, dass sich die österreichischen Bischöfe so klar dazu zu Wort gemeldet hätten.
Den aktuellen Widerstand mancher Bürger gegen die Corona-Maßnahmen halte er hingegen in den seltensten Fällen für wirklich begründet. Die Proteste hätten eher mit Egoismus und nichts mit demokratischer Freiheit oder gar mit gesellschaftlicher Solidarität zu tun. Gerade letztere werde vielmehr in sträflichen Maße verletzt, so Schlagnitweit.
"Auch Mehrheiten können irren"
Ein Beispiel, auf das Autorin Daniela Feichtinger in einem ihrer Beiträge hinweist, ist das der Äbtissin der fränkischen Benediktinerinnenabtei Kirchschletten, Mechthild Thürmer. Sie wurde dafür angeklagt, dass sie Menschen, die von Abschiebung bedroht waren, Kirchenasyl gewährt hatte. Das Gerichtsverfahren hat noch nicht stattgefunden.
Der demokratische Rechtsstaat sei ein sehr hohes Gut, bekräftigte Schlagnitweit bei der Diskussion im Rahmen der Veranstaltung der katholischen Publizisten, die online abgehalten wurde. Aber: "Auch Mehrheiten können irren." Und wenn Gesetze exekutiert würden, die die Menschenwürde verletzen, dann müsse man dagegen einstehen; einerseits mit der möglichen Konsequenz, selbst bestraft zu werden und andererseits mit dem Auftrag, "die Mehrheit davon zu überzeugen, dass sie irrt".
Mit Schlagnitweit und Feichtinger hat das Buch "Was würde Jesus tun" zwei sehr unterschiedliche Autoren. - Eine positive Spannung bzw. Polarität, wie Schlagnitweit sagte: "Ich bin mittlerweile doch schon 58, Theologe, Mann und Priester. Daniela Feichtinger ist eine 30-jährige Frau, auch Theologin, die aber eigentlich erst durch das Studium zum Glauben gefunden hat. Es gibt auch unterschiedliche Zugänge, wir stimmen auch in manchen Fragen nicht völlig überein und kommen doch beide zur Überzeugung, dass es genügend Anhaltspunkte bzw. die Verpflichtung gibt, das Evangelium auf seine politische Brisanz hin immer wieder zu befragen und abzuklopfen."
(Buchtipp: Daniela Feichtinger, Markus Schlagnitweit: Was würde Jesus tun - Anregungen für politisches Handeln heute. Styria-Verlag 2021)
Quelle: kathpress