Suizidbeihilfe: Christliche Pflegeeinrichtungen ringen um Lösungen
Der Regierungsentwurf zum neuen Sterbeverfügungsgesetz liegt seit gut einer Woche vor. Das Gesetz soll mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten. Betroffen von der neuen Rechtslage, wonach assistierter Suizid in bestimmten Fällen erlaubt sein wird, sind auch viel christliche Einrichtungen im Alten-, Pflege- und Palliativbereich. Sie ringen bereits seit Längerem um Regelungen, wie damit in konkreten Fällen umzugehen ist, wie einem am Sonntag auf religion.orf.at veröffentlichten Bericht zu entnehmen ist.
So haben etwa die Österreichische Ordenskonferenz und die Caritas gemeinsam beraten, wie sie mit konkreten Wünschen nach einem assistierten Suizid in ihren Gesundheits- und Sozialeinrichtungen umgehen werden. Man habe eine Arbeitsgruppe gebildet, erklärte Ordenskonferenz-Generalsekretärin Christine Rod in einer Stellungnahme gegenüber "religion.orf.at". Das kommende Sterbehilfegesetz betreffe die Gesundheitseinrichtungen der Ordensgemeinschaften "besonders". In Österreich würden viele Spitäler und Pflegeheime von katholischen Orden betrieben. Ihr deutliches "Nein" zu Sterbehilfe hätten sie in der Vergangenheit immer wieder bekräftigt.
Die Debatte rund um das neue Sterbehilfegesetz werfe freilich viele Fragen auf - "für die betreuten Menschen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter". Ein Orientierungsrahmen, "gespeist aus der Erfahrung der täglichen Arbeit in der Pflege, Betreuung und Begleitung" solle als Hilfe für Mitarbeitende dienen. Man sei nun, nachdem der Gesetzesentwurf vorgestellt wurde, in der "finalen Abstimmungsphase", so Rod.
Caritas Socialis befasst Ethik-Kernteam
Auch bei der Caritas Socialis, die zahlreiche Einrichtungen für betagte, kranke und sterbende Menschen führt, widmet sich bereits ein Ethik-Kernteam den Fragestellungen, die sich durch die Liberalisierung der Sterbehilfegesetzgebung ab Jänner ergeben. Details würden ausgearbeitet, vieles sei noch offen. Ein assistierter Suizid würde "eine Menge an Menschen, wie Angehörige, Mitbewohner, Mitarbeiter und Ehrenamtliche involvieren", hieß es aus der Einrichtung gegenüber "religion.orf.at".
Trotz offener Fragen ist für Geschäftsführer Robert Oberndorfer klar: "Wir leisten Beihilfe zum Leben, nicht Beihilfe zum Suizid." Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden weiterhin alles tun, um Menschen "so zu begleiten, dass er oder sie nicht in eine Notlage kommt, die ausweglos erscheint". Auf akute Suizidwünsche wolle man reagieren, wie gewohnt - mit Gesprächen, Palliative Care und psychologischer Unterstützung. Es gelte auch nach dem 1. Jänner herauszufinden, warum jemand "so" nicht mehr leben wolle und zu versuchen, das Leid zu lindern.
Klar sei aber: Auch wenn die Caritas Socialis einen assistierten Suizid nicht durchführen wird, könne man "nicht ausschließen, dass ein Mensch nach all unseren Bemühungen der Suizidprävention diesen Weg wählt". Darüber, wie solche Fälle gehandhabt werden sollen, müsse noch entschieden werden.
Beck: Katholische Position eindeutig
Der Medizinethiker und katholische Moraltheologe, Matthias Beck, geht vonseiten katholischer Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen jedenfalls auch weiterhin von einem klaren "Nein" zu Suizidbeihilfe aus. "Die katholische Kirche hat sich aus ihrer Perspektive zurecht grundsätzlich dagegen ausgesprochen", sagte er im Gespräch mit "religion.orf.at. "Kein christliches Krankenhaus wird zulassen, dass ein Mensch sich tötet", so die Einschätzung Becks.
Durch das kategorische "Nein" könne sich ein Patient auch "sicher fühlen" - ganz besonders in Palliativstationen: Sterbehilfe "gehört da nicht hin", sagte Beck. Dadurch würde das Vertrauen zu den Einrichtungen und zum Personal zerstört.
Eine Möglichkeit, wie christliche Einrichtungen das ethische Dilemma entschärfen oder lösen könnten, dass sie konsequent für ihre Bewohnerinnen und Bewohner da sein wollen, aber assistierten Suizid nicht dulden, besteht für den katholischen Moraltheologen darin, dass kirchliche Einrichtungen Menschen, bevor sie in ihre Alten- oder Pflegeheime aufgenommen werden, schriftlich bestätigen lassen, dass sie assistierten Suizid nicht in Anspruch nehmen werden. "Ich kann mir vorstellen, dass man so Vorsorge treffen kann und wird", sagte Beck.
Beratungen in Diakonie
Schon lange wird auch in der evangelischen Diakonie über das Thema gesprochen und beraten. Die Diakonie betreibt mehrere Pflegehäuser sowie Hospiz- und Palliativpflegeeinrichtungen, in denen die Frage des assistierten Suizids aufkommen könnte. Es müsse nun ein interner Meinungsbildungsprozess stattfinden - mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam. Sie müssten auch "eingeschult" werden, sie seien besonders "betroffen", hieß es aus der Diakonie gegenüber "religion.orf.at".
Die Diakonie werde zwar sicherlich kein Anbieter von Sterbehilfe werden und werde weiterhin versuchen, Sterbewillige vom Suizid abzubringen, doch Betroffene will die evangelische Hilfseinrichtung auch nicht alleine lassen. Diakonie-Direktorin Moser schloss aus, dass Menschen die Einrichtung verlassen müssen, wenn sie sich für assistierten Suizid entscheiden. Für die Diakonie sei das eine Frage der Barmherzigkeit.
Dachverband Hospiz
Der Gesetzesentwurf, den nun viele Expertinnen und Experten im Gesundheitsbereich studieren und diskutieren, ist auch im Dachverband Hospiz Österreich, in dem verschiedene Anbieter von Palliativ- und Hospizeinrichtungen versammelt sind, die Lektüre der Stunde. Man bereite gerade eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vor, so die Sprecherin des Verbandes, Catrin Neumüller, zu "religion.orf.at".
Seinen Trägerinnen und Trägern werde der Dachverband aber sicherlich keine Empfehlung für den Umgang mit Sterbehilfe geben. Es sei "das Recht und die Pflicht jeder Einrichtung und jedes Trägers über den Umgang mit dem neuen Gesetz selbst zu entscheiden".
Quelle: Kathpress
