Kardinal Schönborn meditiert über Mozart-Requiem
Das Requiem in d-Moll, das letzte Werk des bei der Komposition 1791 verstorbenen Musikgenies Wolfgang Amadeus Mozart, stand im Mittelpunkt des Allerseelen-Gottesdienstes am Dienstagabend im wieder vollen Stephansdom - nicht nur musikalisch, sondern auch theologisch. Denn Kardinal Christoph Schönborn widmete seine Predigt einer Meditation des von Mozart vertonten mittelalterlichen Hymnus "Dies Irae" über das Jüngste Gericht. Der darin beschriebene streng richtende Gott zeige eine heute in den Hintergrund getretene Facette des christlichen Gottesbildes. Doch im "Dies Irae" (lat.: "Tag des Zorns") fallen das Schaudern über Gottes Größe und das dankbare Staunen über die Barmherzigkeit Christi zusammen, wies Schönborn hin.
Eingangs ging der Wiener Erzbischof auf den Terroranschlag vor genau einem Jahr in der Wiener Innenstadt ein; auch in den Fürbitten kam Anteilnahme für die Opfer und ihre Angehörigen zum Ausdruck.
Als junger Ordenspriester habe er den Hymnus aus der Zeit des heiligen Franziskus in seiner lateinischen Ursprungsversion regelmäßig gesungen, erzählte der Kardinal in seiner Predigt. Zeilen wie "Sitzt der Richter dann zu richten, Wird sich das Verborgne lichten; Nichts kann vor der Strafe flüchten" seien später als ein heute unpassendes Bild eines richtenden, ja rächenden Gottes abgetan worden. Auch Nahtod-Erfahrungen mit häufigen Schilderungen von Licht und großer Freude schienen ein deutlich milderes Gericht nach dem Sterben nahezulegen.
Dem hielt Schönborn entgegen, dass gläubige Christen - und wohl auch Mozart - Jahrhunderte lang am Gottesbild des "Dies Irae" festgehalten und sich mit diesem Text auf ihr Sterben vorbereitet hätten. Das zeige sich auch in Darstellungen des Jüngsten Gerichts in der Bildenden Kunst - etwa in der Sixtinischen Kapelle, in der Kathedrale von Torcello oder im steirischen Chorherrenstift Vorau. Der Wiener Erzbischof stellte dazu die Frage, ob das hier zum Ausdruck kommende Schaudern vor der Allmacht und Größe Gottes nicht vielleicht doch zu sehr verloren ging. Gott sei zwar der "liebe" Gott, aber auch die Liebe könne erschreckend, gewaltig und heilig sein.
"Dies Irae" mündet in "Lacrimosa"
Schönborn erinnerte daran, dass der auch bei Mozart furchteinflößende Chorgesang des "Dies Irae" in das "Lacrimosa" (dt.: die "Tränenreiche") übergeht, eine Sequenz von "unvorstellbarer Zärtlichkeit", in der sich der erlösungsbedürftige Mensch an den barmherzigen Christus wendet und um Rettung bittet. Aus dem heiligen Schrecken werde im Requiem das Staunen vor der Demut, vor der Niedrigkeit des Sohnes Gottes, sagte der Kardinal. Diese Verbindung gelte es neu zu lernen, gab er den Gläubigen im Stephansdom mit auf den Weg: das Schaudern angesichts der Größe Gottes und zugleich dankbares Staunen über dessen unfassbare Güte und Nähe.
Musikalisch eindrucksvoll gestaltet wurde der Gottesdienst von der Dommusik von St. Stephan unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Landerer. Die Solisten waren Theresa Dax (Sopran), Katrin Auzinger (Alt), Markus Miesenberger (Tenor) und Andreas Jankowitsch (Bass), es musizierten der Domchor und Domorchester sowie Domorganist Ernst Wally.
Quelle: kathpress