Lackner: Gerhard Roth war "Spurensucher nach dem Wesen des Menschen"
Gerhard Roth "war ein begnadeter Erzähler", dem man "bereitwillig auf seiner Spurensuche nach dem Wesen des Menschen" folgte. Mit diesen Worten würdigte der Salzburger Erzbischof Franz Lackner den am 8. Februar nach langer Krankheit im Alter von 79 Jahren verstorbenen steirischen Schriftsteller bei einem Trauergottesdienst am 19. Februar in dessen Wahlheimat St. Ulrich/Greith (Stmk.). Der selbst aus der Steiermark stammende Lackner sprach an den ihm seit Jahren gut bekannten Roth sehr persönliche Abschiedsworte: "Lieber Gerhard, ich danke Dir für Dein Wirken, für Dein ehrliches Ringen und Schaffen, für Dein wirkliches Menschsein; ich danke Dir für Dein so offenes Herz für die Menschen aller Art."
"In seiner Gegenwart war es gut 'atmen'", sagte der Erzbischof in seiner Ansprache vor der Familie des Verstorbenen und prominenten Trauergästen wie Vizekanzler Werner Kogler, Autor Josef Winkler oder Sturm-Graz-Präsident Christian Jauk. Die Begegnungen mit Roth ließen ihn an einen Spruch aus der griechischen Antike denken, so Lackner: "Wie schön ist der Mensch, wenn er wirklich Mensch ist." Gerhard Roth sei "wirklich Mensch" gewesen und einer vor dem und mit dem es nicht schwer gewesen sei, von Gott zu reden.
Der Erzbischof erinnerte dazu an seine erste bezeichnende Begegnung mit dem ebenfalls deklarierten Sturm-Graz-Anhänger Roth nach einem Match des Grazer Fußballvereins im VIP-Bereich des Liebenauer Stadions. "Dort stand ich mit Gerhard an der notdürftig beleuchteten Bar und wir warteten, dass es Licht werde. Da sagte Gerhard zu mir: 'Herr Bischof, warum hat Gott in dem Moment, als das Böse erstmalig auftrat, dieses nicht sofort und radikal ausradiert?' So etwas war ich noch nie gefragt worden", so Lackner im Rückblick auf diesen ersten Austausch über die Conditio humana.
In jüngerer Zeit habe Roth den Wunsch nach gemeinsam gefeierter Liturgie geäußert. Bei einer Hausmesse habe er sich um eine Art "Wiedergutmachung" bemüht, so Lackner, weil Gerhard und sein Bruder nach deren Erstkommunion vom Pfarrer, dem die beiden "Roth-Buben" nicht willkommen waren, von der anschließenden Agape mit Kakao und Kuchen ausgeschlossen wurden. Beim letzten gemeinsamen Gottesdienst am 28. Dezember 2021 habe er für den schon schwerkranken Poeten den Johannesprolog und die darin formulierte theologische Verdichtung über das "Wort" als Lesung ausgewählt. Diesen Text habe Roth spontan mit einem eigenen, erst tags zuvor für den unvollendet gebliebenen Roman "Die Jenseitsreise" ergänzt.
Der Erzbischof beendete seine Ansprache mit einem Zitat aus dem Lukasevangelium: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten. Er ist nicht hier, er ist auferstanden." Lackners Wunsch: "Dieses Wort möge alle, die um Gerhard trauern, finden und trösten."
Ein "vom Schreiben Besessener"
Gerhard Roth wurde am 24. Juni 1942 mitten im Zweiten Weltkrieg in Graz geboren. Seine erste Buchveröffentlichung nach einem dort abgebrochenen Medizinstudium war 1971 eine "Einführung in die elektronische Datenverarbeitung". Im Jahr darauf begann Roth - er bezeichnete sich selbst als "ein vom Schreiben im besten Sinne Besessener" - seine äußerst produktive Schriftstellerkarriere (u.a. mit den mehrbändigen Zyklen "Die Archive des Schweigens" 1978-1991 und "Orkus" 1993-2011). Seine letzten beiden Romanveröffentlichungen betitelte er mit "Die Hölle ist leer - die Teufel sind alle hier" (2019) und "Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe" (2021), für Mai ist der zuletzt fertiggestellte Roman "Die Imker" angekündigt.
Gerhard Roth wurde für sein literarisches Schaffen, das auch Dreh- und Fotobücher umfasst, vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Alfred-Döblin-Preis, dem Großen Goldenen Ehrenzeichen des Landes Steiermark und dem Großen Österreichischen Staatspreis.
Quelle: kathpress
