Wien: Triumphaler Empfang für die neue Pummerin vor 70 Jahren
Mit dem Wiener Stephansdom feiert dieser Tage auch die Pummerin ein rundes Jubiläum: Österreichs größte und berühmteste Glocke war vor 70 Jahren, am 26. April 1952, pünktlich zur Wiedereröffnung des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stephansdoms, von einer jubelnden Menschenmenge am Stephansplatz empfangen worden. Die alte Glocke war im April 1945 in den letzten Kriegstagen zerstört worden, die neue Pummerin wurde von der Bevölkerung enthusiastisch als besonderes Symbol für Frieden und Freiheit begrüßt.
Die drittgrößte Glocke Europas beeindruckt auch mit ihren technischen Daten: 21.383 Kilo schwer, 2,94 Meter hoch, 3,14 Meter Durchmesser, die Metallwand bis zu 23 Zentimeter stark. Einmal angeschlagen, hallt die Pummerin etwa 200 Sekunden nach.
Geläutet wird die Pummerin nur zu ganz besonderen Anlässen wie etwa bei der Osternachtfeier und am Ostersonntag. Ebenso erklingt sie am Pfingstsonntag und zu Fronleichnam. Auch zum Domweihfest, das am 23. April gefeiert wird, zählt sie zu den Akteuren. Weitere Auftritte hat sie zu Allerseelen, am Heiligen Abend, am Stephanitag und - natürlich - zum Jahreswechsel um Punkt Mitternacht. Zuvor läutet sie aber auch noch bei der Jahresschlussandacht. Weitere Pflichttermine der Pummerin sind Wahl und Tod des Papstes sowie Inthronisation und Tod des Erzbischofs. Zuletzt läutete sie vor wenigen Wochen beim Friedensgebet im Dom für die Ukraine.
Empfang für die Pummerin
Am 25. April 1952 trat die im oberösterreichischen St. Florian neu gegossene Glocke auf einem Tieflader ihre Reise von Linz nach Wien an. Vor dem Landhaus in Linz ist noch heute jene Stelle im Pflaster durch einen Ring markiert, wo sie vor 70 Jahren transportbereit stand. Mehr als eine Million Menschen säumten den Weg der Glocke, der von Linz über Enns, Amstetten, Melk und St. Pölten nach Wien führte.
Die Glocke wurde vom oberösterreichischen Landeshauptmann Heinrich Gleißner als "Zeichen der Einheit und Freiheit Österreichs" bezeichnet. Während ihrer Fahrt begleiteten hohe politische und geistliche Würdenträger die Glocke und reichten diese ähnlich einer Stafette über die Demarkationslinie und Diözesangrenzen weiter. Festredner, Musikkapellen, Trachtengruppen und Fahnenträger empfingen die Pummerin bei ihren Stationen, riesige Menschengruppen bildeten Spalier und verliehen dem Glockenzug Volksfestcharakter.
Am 26. April um 16 Uhr erlebte sie auf dem Stephansplatz einen überwältigenden Empfang. Zu dem Ereignis waren neben Zehntausenden Menschen und den kirchlichen Würdenträgern auch Bundespräsident Theodor Körner und die Mitglieder der Bundesregierung gekommen. Die feierliche Weihe der Glocke nahm der Wiener Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer vor. Am Ende der Weihe stiegen 2.000 Brieftauben auf, um das Ereignis im Land bekannt zu machen.
Die frühere Leiterin des Wiener Diözesanarchivs Annemarie Fenzl erinnerte sich in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" an jenen Tag zurück, den sie mit ihrer Mutter auf der äußeren Mariahilfer Straße miterlebte: "Es war ein Riesenlärm. Die Pummerin kam vom Westen über den Riederberg und Schönbrunn nach Wien herein und fuhr an uns vorbei. Sie stand auf dem Tieflader, hat schön geglänzt mit einem Blumenkranz rundherum. Und die Leute haben Blumen auf sie geworfen." Die Glocke wurde zum Sinnbild von Neubeginn, Wiederaufbau und vor allem Frieden.
Vorerst provisorische Aufstellung
Auf den Platz der alten Pummerin am Südturm konnte die neue Glocke aus statischen Gründen nicht hochgezogen werden. Der Turm wäre nicht stabil genug gewesen. So wurde die Glocke provisorisch im Hof der Dombauhütte aufgestellt, wo sie am 27. April 1952 beim Festgottesdienst zur Wiedereröffnung des Stephansdoms zum ersten Mal angeschlagen wurde.
Mittels eines Stricks wurde der damalige 813 Kilo schwere Klöppel von acht Arbeitern der Dombauhütte hin- und hergezogen. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten am Dom konnte die Pummerin schließlich am 3. Oktober 1957 auf den Nordturm aufgezogen werden. Zum "Handkuss" kam dabei das Riesentor. Wie schon 1711 mussten beim Transport in das Dominnere die Portalpfosten ausgebrochen werden.
Eine elektromechanische Steuerung bekam die Pummerin bereits 1953, im Jahr 2003 erhielt sie schließlich ein elektronisches Läutwerk, das mit den beiden Antriebsmotoren ein gleichmäßigeres Einschwingen der Glocke erlaubt und damit Glocke wie Glockengestühl weniger belastet. Es dauert genau 22 Sekunden, bis der erste Glockenschlag ertönt. 2011 bekam die Glocke zudem einen neuen Klöppel, der mit 613 Kilogramm etwa 30 Prozent leichter ist als sein Vorgänger und die Glocke deutlich schonender läutet, ohne dass bei Klang Abstriche gemacht werden müssten.
Eine Inschrift auf der Glocke sagt: "Geborsten bin ich in der Glut des Brandes. Ich stürzte aus dem verwüsteten Turm, als die Stadt unter Krieg und Ängsten seufzte. 1945". Dazu kommt die Widmung: "Geweiht der Königin von Österreich, damit durch ihre mächtige Fürbitte Friede sei in Freiheit. A. D. 1951".
Alte Pummerin: 1711 geweiht
Wenn auch das Jubiläum dem 70. "Geburtstag" der "neuen" Pummerin gilt, blicken Teile der Glocke schon auf eine viel längere Geschichte zurück. Die ursprüngliche, alte Pummerin war nämlich schon Anfang des 18. Jahrhunderts aus etwa 200 Kanonenkugeln gegossen worden, die man 1683 beim Sieg über die Türken vor Wien erobert hatte. Der kaiserliche Stückgießer Johann Achamer hatte für diese erste Pummerin über 22.500 Kilo Erz verbraucht und eine nicht nur für damalige Verhältnisse beeindruckende Glocke geschaffen.
200 Angehörige der Wiener Handwerkszünfte zogen die gewaltige Glocke auf einem schlittenähnlichen Wagen aus der Leopoldstadt durch die Rotenturmstraße bis zum Stephansdom. Auch damals musste ein Teil des Riesentores ausgebrochen werden, um die Glocke in den Dom hinein zu bekommen, ehe sie von innen in die Glockenstube im Südturm aufgezogen wurde.
Am 15. Dezember 1711 geweiht, erklang ihr Geläut zum ersten Mal am 26. Jänner 1712, zu Ehren der Rückkehr Kaiser Karls VI. von seiner Krönung. Der Südturm dürfte unter der Last der Pummerin schwer zu tragen gehabt haben, jedenfalls wurde die Glocke seit 1875 nur mehr händisch mit dem Klöppel angeschlagen, da beim Läuten zu große Schwingungen am Turm festgestellt wurden. Mit nur einer Ausnahme - beim Begräbnis Kaiser Franz Josefs I. 1916, wurde sie noch einmal geläutet - wurde diese Vorsichtsmaßnahme eingehalten. Zum letzten Mal zu hören war die alte Pummerin beim Einzug Adolf Hitlers in Wien am 14. März 1938.
Zerstörung und Wiederaufbau
Im April 1945 tobte der Kampf um die Stadt Wien. War der Dom vorerst von den Kampfhandlungen verschont geblieben, wurde er schließlich doch noch ein Opfer der Flammen. Am 12. April brach der Glockenstuhl zusammen und die alte Pummerin stürzte in die Tiefe und zerschellte.
Als alle Bundesländer zum Wiederaufbau des Domes beitrugen, versprach das Land Oberösterreich einen Neuguss der Pummerin. Die Bruchstücke der Glocke wurden in die Glockengießerei von St. Florian gebracht, wo sie zusammen mit anderen Glockenresten aus St. Stephan für den Neuguss verwendet wurden. Dazu musste auch eigens ein neuer, überdimensionaler Ofen gebaut wurde.
1949 begannen die Arbeiten für die neue Pummerin. Im Oktober 1950 hätte es dann so weit sein sollen. Aus Linz reiste Landeshauptmann Heinrich Gleißner an, aus Wien Kardinal Theodor Innitzer. Eine ganze Nacht lang waren die rund 25 Tonnen "Glockenspeise" auf 1.100 Grad aufgeheizt worden. Durch Kanäle floss sie in die vorbereitete Form. Als der Guss schon fast beendet war, hielt der Lehmmantel dem Druck nicht stand und brach auf. Die Schmelze rann aus, 15 Tonnen Bronze flossen auf den Vorplatz des Ofens und steckten die Holzpfosten der Zuschauertribüne in Brand.
In der Glockengießerei St. Florian begann die Arbeit damit von vorne. Stärkere Verspannungen mit Stahl und Beton sollten dem Mantel mehr Festigkeit verleihen. Am 5. November 1951 reisten Innitzer und Gleißner wiederum nach St. Florian - und diesmal gelang der Guss.
Quelle: Kathpress