Scheuer: Frage nach Leiden nicht zum Fels des Atheismus werden lassen
Ist die Welt die beste aller denkbaren Welten? Oder gar die schlechteste? Und ist nicht die Realität des Bösen und des Leidens in der Welt Beweis genug für die Nicht-Existenz Gottes? - Es waren diese großen, klassischen Fragen der Theologie und auch der Philosophie, die Bischof Manfred Scheuer im Rahmen eines Vortrags beim heurigen "Kirch'Klang"-Festival besprochen hat - konkret: Bei einem Symposion zum Thema "Schöpfungsmythen" am 3. Juli in Mondsee, an dem neben Scheuer auch der Ägyptologe und frühere Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums in Wien, Wilfried Seipel, und der Münchner Wissenschaftsphilosoph Klaus Mainzer referierten.
Die Frage nach dem Leiden, so Scheuers Plädoyer, sollte weder zum Anstoß und Fels des Atheismus werden, noch in Erklärmuster einmünden, die Gott und das Leiden nachträglich gar versöhnen. Vielmehr müsse sich die Theodizeefrage - also die Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Leidens - "lebenspraktisch daran messen lassen, ob sie in einen Prozess der Begegnung hineinnimmt, oder in ihrer theoretischen Unlösbarkeit zum Mittel zum Zweck der Lebensdistanzierung wird." Man könne sich der Frage nach dem Leiden nicht "neutral und objektiv distanziert" nähern - sie stehe vielmehr "im Kontext von Sympathie, Apathie oder Antipathie, von Gleichgültigkeit, Nihilismus, Hoffnung, Hass und Verachtung, von Verzweiflung oder auch Verzeihen" - kurz: Sie lässt sich nur in Form gelebter, "auch im Unglück durchgehaltener Solidarität" mit den Opfern und Leidenden beantworten.
In einem philosophie- und theologiegeschichtlichen Durchlauf zeigte Scheuer auf, wie sich an der Frage des Leidens biblische Autoren ebenso abgearbeitet haben wie frühchristliche Denker und Philosophen. Die Gnosis sei ebenso ein Versuch, auf das Leiden eine - wenngleich misslungene - Antwort zu geben wie die Philosophie Gottfried Wilhelm Leibniz' (1646-1716) oder Simone Weils (1909-1943). Während Leibnitz formallogisch von der Schöpfung her dachte, die notwendigerweise die "beste aller möglichen Welten" sein müsse und in ihr daher auch das Schlechte und Böse einen notwendigen Platz haben, habe Weil dies abgelehnt und die Freisetzung der Welt in ihrer auch Böses hervorbringenden Eigenständigkeit als Akt der Liebe Gottes gedeutet.
Das "Kirch'Klang"-Festival fand 2021 zum ersten Mal statt. Den gesamten Sommer hindurch verteilen sich bis Ende August Veranstaltungen und Konzerte in Kirchen und an weiteren besonderen Orten des Salzkammerguts. Den Auftakt bildete am 25. Juni die Aufführung von Joseph Haydns "Die Schöpfung" in der Basilika St. Michael in Mondsee. Im Schloss Mondsee folgte am 3. Juli das Symposion "Schöpfungsmythen" u.a. mit Bischof Scheuer.
Weitere Highlights des Programms bilden Konzerte u.a. in Schloss Kammer am Attersee (9. Juli), in der Pfarrkirche Bad Ischl (10. und 17. Juli), in der Kaiserville Bad Ischl (16. Juli), in der evangelischen Kirche Bad Goisern (24. Juli), in der Pfarrkirche Maria Attersee (28. Juli), in der Kirche von Schörfling am Attersee (29. Juli). Ein "Kirch'klang im Brucknerhaus"-Abend am 4. August in Linz u.a. mit dem Schauspieler John Malkovich zählt ebenso dazu wie das "Konradfest" am 7. August in Oberwang. Dort wird Bischof Manfred Scheuer um 11 Uhr einen Festgottesdienst feiern. (Weitere Infos und Tickets: https://www.kirchklang.at)
Quelle: kathpress