
Bessere Rahmenbedingungen für Kinder- und Jugendhilfe gefordert
"Die Kinder- und Jugendhilfe ist gefährdet." Das betonte der Dachverband der österreichischen Kinder- und Jugendhilfe (DÖJ), zu deren Mitgliedern auch die Caritas-Familienhilfe der Erzdiözese Wien zählt, in einer Aussendung am Freitag. Er forderte besseres Krisenmanagement, die Wiedereinführung eines Bundes-Kinder- und Jugendhilfe-Gesetzes und Bundesmitteln. Denn, in mehreren Bundesländern seien "Gefährdungsmeldungen", nicht beim Jugendamt, sondern beim öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe (KJH) abgegeben worden. Nun werde nicht das Wohl eines Kindes, sondern die ganze KJH selbst als gefährdet gesehen, und zwar von den Einrichtungen der KJH bzw. von der Kinder- und Jugendanwaltschaft.
Mehr und mehr Einrichtungen müssen geschlossen werden, weil "das Personal das sinkende Schiff verlasse" und es immer schwieriger werde, qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Gerald Herowitsch-Trinkl, Obmann des DÖJ, betonte: "Seit Bestehen des DÖJ haben wir die Situation noch nie so dramatisch gesehen. Der Kinderschutz kann unter diesen Bedingungen nicht mehr aufrechterhalten werden." Derzeit leben 13.000 Kinder und Jugendliche laufend in sozialpädagogischen Einrichtungen oder Pflegefamilien statt in ihrer Herkunftsfamilie, weil dort der Kinderschutz nicht gewährleistet ist. In vielen Jugendhilfe-Einrichtungen seien die vorgesehenen Belegungen überschritten. Mehr und mehr Einrichtungen müssen gesperrt, geplante Einrichtungen können nicht eröffnet werden.
Sozialpädagogische Einrichtungen werden größtenteils von privaten Organisationen geführt, die sich im DÖJ zusammengeschlossen haben. Dieser Dachverband kritisierte nun, dass schutzbedürftige Kinder nicht mehr aufgenommen werden. Selbst wenn die Qualitätsanforderungen an das fachliche Personal schon maximal reduziert wurden, können Personalabgänge kaum ersetzt werden. Die Teams seien unterbesetzt, die Fluktuation sehr hoch. Für die betreuten Kinder in Krisenzentren in Wien bedeute das laut einer Aussendung der dortigen Kinder- und Jugendanwaltschaft z. B. "Matratzen auf dem Boden, fehlende Schreibtische zum Lernen und einen eklatanten Mangel an Platz, Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten, Kleinkinder neben psychiatrisch auffälligen Kindern oder delinquenten Jugendlichen".
Gravierende Arbeitskräftemangel
Ein schwerwiegender Arbeitskräftemangel gefährde das System der KJH. Mitarbeitende verlassen jene Bereiche, die am meisten persönlichen Einsatz fordern, aber gleichzeitig geringer bezahlt werden als z. B. bei beratenden Tätigkeiten. Die stationäre Unterbringung von gefährdeten Kindern und Jugendlichen ist ein Kernbereich des Kinderschutzes. Auch wenn die Kompetenzen für die KJH vor zwei Jahren zur Gänze an die Bundesländer ausgelagert wurden, bleibe die Verpflichtung des Bundes, für angemessenen Kinderschutz in Österreich zu sorgen, betonte der DÖJ.
Nicht nur der Arbeitskräftemangel, auch die Inflation verschlimmere die Situation im Kinderschutz laut DÖJ. Von der aktuellen Inflationswelle sind armutsgefährdete Familien und Kinder am stärksten betroffen. Der größte Teil der Kinder in der stationären Jugendhilfe kommt aus Familien mit prekären finanziellen Verhältnissen. Höherer Bedarf bei reduziertem Angebot führt zu einer veritablen Gefährdung des Kinderschutzes in Österreich. Diese "Kindesweglegung" des Bundes dürfte sich - wie bei der Corona-Krise - nun ein weiteres Mal rächen, zumal auch kein nationales Kinderschutzgesetz gegeben ist", warnte der DÖJ.
Quelle: kathpress