Grazer Schauspielhaus: Drama über verhinderte letzte Ölung
Das Schauspielhaus Graz bleibt ein guter Ort für ethisch brisantes Theater: Nach Ferdinand von Schirachs "Gott" über assistierten Suizid im Jänner schließt das Haus das Kalenderjahr mit einem weiteren "Debattenstück" ab: Mit "Die Ärztin" verfasste der britische Dramatiker Robert Icke eine "sehr freie" Aktualisierung von Arthur Schnitzlers "Professor Bernhardi", wie es in einer Ankündigung am Dienstag hieß. Angesprochen werden darin Religionsfreiheit, Antisemitismus, Rassismus und Hassbotschaften im Internet - "medizinethische Fragen stehen Glaubensfragen gegenüber", so das Schauspielhaus. Premiere ist am 10. Dezember um 19.30 Uhr; vor und nach dem Jahreswechsel folgen unter der Regie von Anne Mulleners weitere je drei Aufführungen im Haus Eins.
Im Mittelpunkt des Dramas steht Professor Ruth Wolff (Sarah Sophia Meyer), Ärztin und erfolgreiche Leiterin einer Privatklinik mit jüdischen Wurzeln. Sie verwehrt einem katholischen Priester (Mathias Lodd) den Zugang zu einer 14-jährigen Patientin, die nach einem selbst durchgeführten Schwangerschaftsabbruch im Sterben liegt. Das Mädchen in Frieden und Ruhe sterben zu lassen, ist ihr wichtiger als der Wille der (abwesenden) Eltern, die den Priester aus der Ferne ins Krankenhaus beordert haben, um ihrer Tochter die Krankensalbung bzw. die "letzte Ölung" - wie es in der Ankündigung heißt - zu verabreichen.
Ein Handyvideo von der Auseinandersetzung vor dem Zimmer der Patientin gelangt in die Sozialen Medien, woraufhin ein medialer Shitstorm gegen Ruth Wolff und die Privatklinik losbricht. Der Ärztin wird Rassismus vorgeworfen, denn der betreffende Priester ist schwarz, zugleich sieht sie sich als säkulare Jüdin antisemitischen und frauenfeindlichen Ressentiments ausgesetzt.
Robert Icke habe ausgehend von Schnitzlers vor 110 Jahren uraufgeführtem und bis zum Ende der Donaumonarchie verpöntem Stück "eine ebenso spannende wie brisante Aktualisierung" geschaffen, so das Schauspielhaus Graz. Das Theater zitierte die britische Tageszeitung "The Times", die anlässlich der Uraufführung 2021 in London schrieb: "'The Doctor' ist wie eine Operation am offenen Herzen unserer Gegenwart, die immer komplizierter wird, je tiefer man schneidet." Nach Schirachs "Gott" soll ein weiteres Stück auf die Bühne gebracht werden, "das Denkprozesse am Puls der Gegenwart in Gang setzt und die eigene Position in Bezug auf brennende Fragen des gesellschaftlichen Diskurses schärft". (Info: www.schauspielhaus-graz.com)
Quelle: kathpress