Parlament verurteilt "Holodomor" als "schreckliches Verbrechen"
Der Menschenrechtsausschuss des Parlaments hat sich am Donnerstag einstimmig gegen den Einsatz von Hunger und Mangel als Kriegswaffe ausgesprochen, wie die Parlamentskorrespondenz berichtete. In der von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS gemeinsam vorgelegten Initiative wird der "Holodomor", ein von der Sowjetunion unter Stalin vor 90 Jahren systematisch gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine provozierter Hungermord, als "schreckliches Verbrechen" verurteilt sowie darauf aufmerksam gemacht, dass Russland auch im aktuellen Angriffskrieg gegen die Ukraine Hunger als Kriegswaffe einsetzt. Auch die FPÖ stimmte zu.
Vor 90 Jahren fielen in der Ukraine bis zu acht Millionen Menschen einer von den Sowjets herbeigeführten Hungerkatastrophe zum Opfer. Der "Holodomor" ("Hungermord") hat sich unauslöschlich in das Bewusstsein des ukrainischen Volkes eingebrannt. Papst Franziskus bezeichnete das Verbrechen als Völkermord. Auch der Deutsche Bundestag bewertete den "Holodomor" am Mittwoch als Völkermord.
Der "Holodomor" 1932/33 wurde von den Sowjets gezielt eingesetzt, um die wohlhabenden ukrainischen Großbauern ("Kulaken") zu schwächen und zum Eintritt in die Kolchosen und Sowchosen zu zwingen. Der Wiener Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer (1875-1955) war 1933 einer der ganz wenigen Persönlichkeiten im Westen, der sich für die Hungeropfer einsetzte.
In dem von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS gemeinsam vorgelegten Entschließungsantrag wurde die österreichische Regierung aufgefordert, weiterhin dafür einzutreten, dass Hunger und Mangel nicht als Waffe gegen die Zivilbevölkerung oder als ein Druckmittel gegen Regierungen eingesetzt werden sowie Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart aufgezeigt und entsprechende Verbrechen verurteilt werden.
Gudrun Kugler (ÖVP) wertete die Entschließung zum Holodomor als "symbolisch wichtigen Schritt". Dass man sich für den Begriff "schreckliches Verbrechen" entschieden habe, begründete sie damit, dass es für den Begriff Völkermord keine so breite Mehrheit gegeben hätte. Der Begriff Völkermord sei zudem auch unter Historikern umstritten, machte sie geltend. Es gelte jedenfalls dagegen aufzutreten, dass Hunger und Mangel jemals wieder als Kriegswaffe eingesetzt werden.
Auch Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) hielt eine breite Unterstützung der Initiative für wichtig. Niemand wolle die Geschichte neu schreiben, eine heutige politische Bewertung würde den Holodomor als Völkermord bezeichnen. In der Ukraine würden aktuell wieder Kriegsverbrechen stattfinden, mahnte die Grünen-Mandatarin.
Für Nikolaus Scherak (NEOS) war es wichtig, "klare Worte im Rahmen des Möglichen zu finden". Aus seiner Sicht handle es sich um Völkermord, immer mehr Länder würden das auch so anerkennen. Susanne Fürst (FPÖ) signalisierte Zustimmung seitens der FPÖ und sprach von einem "millionenfachen Hungermord, der ein schreckliches Verbrechen des stalinistischen Regimes ist". Es sei wichtig, dass alle fünf Parlamentsparteien gemeinsam Stellung beziehen, unterstrich Harald Troch (SPÖ). Der Politik stehe eine Definition von Völkermord nicht zu, komplexe historische Einschätzungen sollten Experten überlassen werden.
Quelle: Kathpress