Jesuit Inama: "Wir gehen dorthin, wo die Not am größten ist"
Der Ukraine-Krieg hat auch viele Menschen in der angrenzenden Republik Moldau (Moldawien) in tiefes Elend gestoßen. Das berichtet der Jesuit P. Markus Inama. Er ist ehrenamtlicher Vorstand der Hilfsorganisation "Concordia Sozialprojekte", der in Moldawien, Rumänien, Bulgarien und im Kosovo aktiv ist. In der neuesten Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig", zeigt Inama die Folgen des Krieges für Moldawien und andere Länder auf. Zugleich kommt er auch auf sein neues Buch "Einen Atemzug über mich hinaus" zu sprechen, in dem er seinen Lebensweg in den Jesuitenorden und in die Sozialarbeit nachzeichnet und wie er beide Aspekte in seinem Leben zu verbinden weiß. Ein Leitsatz, der Concordia wie auch den Jesuiten gemein ist: "Wir gehen dorthin, wo die Not am größten ist."
"Concordia Sozialprojekte" ist am Dienstagabend in Rom mit dem diesjährigen Friedenspreis der weltweiten katholischen Friedensbewegung "Pax Christi International" ausgezeichnet worden.
Markus Inama wurde 1962 in Vorarlberg geboren. Er war u.a. als Leiter eines Obdachlosenheims in Wien tätig, bevor er 1987 in den Jesuitenorden eintrat. Von 1995 bis 2008 arbeitete er im Bereich der offenen Jugendarbeit in Wien und Innsbruck. Danach übersiedelte er nach Bulgarien und engagierte sich in Sofia im Rahmen der Concordia-Sozialprojekte für Kinder und Jugendliche, die auf der Straße und in Armenvierteln lebten. Seit 2011 ist er Mitglied des Vorstands von Concordia-Sozialprojekte. Von 2012 bis 2018 war Inama zudem Rektor des Jesuitenkollegs in Innsbruck und seither ist er Superior der Jesuiten in Wien. Seit 2022 ist er auch Ausbildungsdelegat der Provinz, außerdem stellvertretender Rektor der Jesuitenkirche in Wien.
Im Blick auf Moldawien berichtete P. Inama von einer multiplen Krise. Aufgrund eines extrem trockenen Sommers seien die Ernten wesentlich geringer als gewöhnlich ausgefallen. Da die meisten Familien im Land für den Eigenbedarf kleine Gärten hätten, sei dies höchst bedrohlich. Dazu kämen nun eine Inflation von mehr als 30 Prozent und steigende Energieknappheit. "Letzte Woche ist mehrmals im Land der Strom ausgefallen", berichtete der Jesuit. Das hänge auch mit dem abtrünnigen Landesteil Transnistrien zusammen, der zu Moskau tendiert und für die Stromversorgung Moldawiens eine wichtige Rolle spielt. Und im Blick auf Gaslieferungen und deren Kosten sei das Land ebenfalls von Moskau abhängig, warnte der Jesuit.
Concordia habe deshalb wieder ein umfassendes Winter-Nothilfepaket geschnürt. Bedürftige Familien werden mit Lebensmitteln, Medikamenten und Brennmaterial versorgt. In Moldawien wurden auch viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Und deshalb unterstütze Concordia nun auch diese Flüchtlinge bzw. Familien, die Ukrainer bei sich aufgenommen haben.
Auch in Rumänien sei die Situation angespannt, so Inama. Auch dort kümmere sich Concordia unter anderem um ukrainische Flüchtlinge, "wobei viele nur kurz in unseren Einrichtungen sind und dann weiterreisen". In der Ukraine habe es zudem eine bulgarische Community gegeben, die nun wieder zurück in ihre Heimat geht, und auch hier versuche das Hilfswerk zu helfen. Da sich Concordia, vor allem, was die Nothilfe betrifft, weitgehend aus Spenden finanziert, appellierte Inama an die Solidarität der Österreicherinnen und Österreicher.
Einsatz für Gerechtigkeit
Im Podcast betonte P. Inama einen Leitsatz, der für Concordia wie auch für die Jesuiten gleichermaßen gelte: "Wir gehen dorthin, wo die Not am größten ist." Die Verkündigung des Evangeliums müsse stets Hand in Hand gehen mit dem Einsatz für Gerechtigkeit. "Dass wir den Kindern in unseren Concordia-Projekten ein Aufwachsen ohne Ausgrenzung ermöglichen wollen, hat für mich sehr viel mit der Botschaft des Glaubens zu tun."
Vier Jahre baute Markus Inama in Bulgarien das Concordia-Hilfswerk auf. Von den schwierigen Anfängen berichtet er anschaulich im Podcast. Niemand habe auf eine westliche NGO gewartet und dementsprechend sei er auch mit viel Misstrauen und alles andere als offenen Armen empfangen worden. Der Jesuit baute mit vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern ein Haus für rund 85 Kinder und Jugendliche auf, kämpfte gegen die Behörden, Vorurteile in der Gesellschaft und mitunter auch gegen die Orthodoxe Kirche, die dem Jesuiten anfangs mit großem Misstrauen begegnete; aus Angst, er könne die Kinder und Jugendlichen zum katholischen Glauben abwerben wollen. Dem war und sei freilich nicht so, betont Inama. "Wenn Kinder kommen mit dem Wunsch, sich taufen zu lassen, dann schicken wir sie zur Orthodoxen Kirche."
Dass Markus Inama seinen Weg zu den Jesuiten fand, hat er letztlich einem Steyler Missionar zu verdanken, der ihm den Rat gab, bei P. Georg Sporschill - einem Jesuiten - vorzusprechen und in dessen Obdachlosenheim in Wien mitzuarbeiten. Eine folgenschwere wie positive Wendung im Leben des bis dahin auf der Suche nach dem Sinn befindlichen jungen Markus.
Wie der Lebensweg P. Inamas ausgesehen hat, zeichnet er in seinem Buch "Einen Atemzug über mich hinaus. Mein Weg zu den Jesuiten und in die Sozialarbeit" nach. Inama beschreibt u.a. sehr persönliche Erfahrungen in einer nicht ganz einfachen Zeit beim Bundesheer und Stationen als jüngstes Mitglied eines Modeschau-Teams. Mit dem verdienten Geld konnte er sich seinen Traum, eine längere Amerika-Reise finanzieren. Von dieser Reise sei er verändert zurückgekehrt, berichtet er. Einen anderen Tagesrhythmus mit mehr Achtsamkeit, Pausen für Spaziergänge in der Natur und zum Lesen in der Bibel behielt er bei. Nach einem abgebrochenen Theologiestudium in Innsbruck zog es ihn schließlich zum Obdachlosenprojekt von P. Georg Sporschill nach Wien.
Auf seinen Reisen habe er erfahren, so P. Inama, "wie bereichernd es ist, Menschen zu begegnen, die unter ganz anderen Voraussetzungen leben". Das führte ihn indirekt in die Sozialarbeit. "Für Obdachlose zur Verfügung zu stehen, weckte in mir das Gefühl, meine Kompetenzen einsetzen zu können", schreibt er in seinem Buch.
Markus Inama möchte mit seinem Buch u.a. den Blickwinkel des eigenen Lebens der Lesenden weiten und Mut machen. Der Concordia-Vorstand widmet es zudem "allen, die ihre Lebenszeit, ihre Kontakte, ihre Geld- und Sachspenden für Menschen in ganz schwierigen Situationen einsetzen und so ihre Spielräume zum Guten hin nützen". Im Fokus dieses autobiografischen Buches steht der Versuch einer "ehrlichen Auseinandersetzung", wie P. Inama zu seinem Orden kam. Das Ergebnis ist eine bewegende, persönliche Reise durch Lebensabschnitte und Gedanken eines mutigen Mannes, der andere Menschen durch ihr Leben begleitet.
Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" ist auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
(Spendenkonto Concordia: IBAN: AT28 3200 0000 1318 7893, Infos: www.concordia.or.at).
(Buchhinweis: Markus Inama: Einen Atemzug über mich hinaus. Mein Weg zu den Jesuiten und in die Sozialarbeit, Tyrolia Verlag 2022)
Quelle: kathpress