
24-Stunden-Betreuung: NGOs nehmen Politik in die Pflicht
Das "Wegschauen" der Politik im Bereich der 24-Stunden-Betreuung muss ein Ende haben. Wie Caritas, Hilfswerk und Malteser in einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch in Wien darlegten, führe die aktuelle Förderpolitik zu "verheerenden Konsequenzen". Seit 2007 sei die Förderung der 24-Stunden-Betreuung kein einziges Mal erhöht worden. Betroffene Familien hätten ihre Belastungsgrenzen erreicht. Die nun angekündigte Erhöhung der Förderung um 90 Euro auf monatlich 640 Euro ist laut den drei Sozialorganisationen nur ein "Tropfen auf den heißen Stein". Überdies stehe die im Regierungsprogramm vorgesehene Qualitätsoffensive noch aus. Zu beiden Kritikpunkten legten die NGOs Verbesserungsvorschläge vor: volle Valorisierung, faire Honorare für Betreuende, Sicherung der Qualität.
Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, forderte, die Leistbarkeit müsse sichergestellt werden: "Die 24-Stunden-Betreuung braucht mehr als ein kleines Pflaster für all ihre offenen Wunden." Aus Sicht der Caritas sei es derzeit alternativlos, diese Form der Betreuung als dritte Säule neben mobiler und stationärer Pflege zu erhalten. Die Politik solle diesbezüglich Maßnahmen treffen, "um die Wahlfreiheit der Betroffenen sicherzustellen, um eine weitere Überforderung von Pflegeheimen zu verhindern - und auch im Sinne der Leistbarkeit für die öffentliche Hand", wie Parr unterstrich.
Aktuell liefen Betroffene und ihre Familien Gefahr, aufgrund der massiven Teuerungswelle die Finanzierung nicht mehr zu stemmen. Auch für die Betreuungskräfte fehle es an fairer Bezahlung und verbesserten Arbeitsbedingungen. Parr rechnete vor, dass durch die seit langem verabsäumte Fördererhöhung ein realer Wertverlust von 230 bis 250 Euro entstanden sei; die nun zugesagten 90 Euro monatlich mehr seien "inakzeptabel". Gemeinsam mit Hilfswerk und Maltesern fordere die Caritas eine bundesweite Erhöhung auf zumindest 800 Euro statt der bisherigen 550 Euro pro Monat und Betreuungskraft. Zudem brauche es eine Valorisierungsautomatik für die Zukunft, so die Generalsekretärin.
Helmut Lutz, Geschäftsführer von Malteser Care, verwies auf die Alternativlosigkeit der 24-Stunden-Betreuung: "Wenn wir uns dazu bekennen, dass Menschen im Falle einer Pflegebedürftigkeit ihrem oft sehnlichsten Wunsch entsprechend zu Hause leben können - egal ob es sich um ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Kinder mit chronischen Erkrankungen handelt -, dann ist eine qualitätsvolle und leistbare 24-Stunden-Betreuung zwingende Notwendigkeit." Mobile Dienste wie die Hauskrankenpflege oder Heimhilfe hätten mittlerweile lange Wartelisten aufgrund des Personalmangels, ebenso stationäre Einrichtungen und Pflegeheime. "Es wäre schier unmöglich, die rund 30.000 Menschen, die derzeit 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, anders zu versorgen", erklärte Lutz. Seine Warnung: "Wenn die Politik nicht ehestmöglich handelt und die Förderung entsprechend anpasst, dann werden alle Errungenschaften der letzten 15 Jahre ausgelöscht und der Bereich wird in die Schattenwirtschaft abrutschen."
Kein Zurück auf den Schwarzmarkt
Dass eine Fortsetzung der "restriktiven Förderpolitik" aus der Sicht des Hilfswerks Österreich "verantwortungslos" wäre, legte auch dessen Geschäftsführerin Elisabeth Anselm dar. "So lange es Betreuerinnen und Betreuer gibt, die sich für eine Tätigkeit in der 24-Stunden-Betreuung entscheiden, und solange es Betroffene und Angehörige gibt, die diese Unterstützung annehmen wollen, werden sich selbige finden." Die Politik habe es in der Hand, ob sich diese Menschen auf dem Schwarzmarkt finden, wie vor 2007, oder in einem legalen, transparenten und qualitätsgesicherten Rahmen.
Da die Honorare seit Jahren stagnieren, seien zwischen 2019 und Ende 2022 rund 3.000 Betreuende in andere Staaten abgewandert, so Anselm. Sie forderte auch eine begleitende Qualitätssicherung durch diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, um die "Wiederkehr der Schattenwirtschaft in der 24-Stunden-Betreuung" zu verhindern.
Die Sozialorganisationen sprachen sich für die Weiterentwicklung des vom Gesundheitsministerium formulierten Qualitätszertifikates "ÖQZ-24" aus. Dieses könne als Anknüpfungspunkt für ein reformiertes Fördersystem dienen.
Quelle: kathpress