Caritas-Direktor: Tätige Nächstenliebe braucht auch gute Sozialgesetze
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sind keine fromme Liebesgabe, sondern Pflicht: Mit diesen Worten hat der St. Pöltner Caritas-Direktor Hannes Ziselsberger in der "Kirche bunt" (aktuelle Ausgabe) auf das Spannungsfeld zwischen Barmherzigkeit und Gerechtigkeit hingewiesen. "Barmherzige" Taten, wie finanzielle Unterstützung, Beratungen sowie Sachspenden bezeichnete er als "tätige Nächstenliebe", bei der es jedoch nicht stehen bleiben dürfe, so Ziselsberger wenige Tage vor dem "Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit", den die Kirche am 16. April begeht. Dringend nötig seien auch ausreichende Sozialgesetze, um Armut strukturell nachhaltig zu bekämpfen, ebenso aber gerechte Strukturen, damit Armutsbetroffene in Würde leben könnten.
"Armut ist seit jeher Bestandteil fast aller Gesellschaften und die Caritas ist seit über einem Jahrhundert eine Antwort der katholischen Kirche auf die Fragen von Armut und Ausgrenzung", so der St. Pöltner Caritas-Direktor in seinem Gastbeitrag. Barmherzigkeit, also "tätige Nächstenliebe", dürfe aber nicht "die einzige Antwort auf eine Gesellschaft sein, die Armut zulässt oder sogar verstärkt".
Als Motivation für den Kampf gegen Armut zitiert Zielsberger das vatikanische Dekret Apostolicam actuositatem (1965): "Man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was schon aus Gerechtigkeit geschuldet ist." Somit sei die tätige Nächstenliebe in Form von Spenden, Lebensmittelgutscheinen oder Sozialberatungen für Armutsbetroffene zwar Pflicht, aber nur ein Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit. Ziel sei eine Gesellschaft, "die Not und Elend vermeidet, und von Zuwendung und Wertschätzung, von Respekt und Gerechtigkeit, von Barmherzigkeit und Freiheit geprägt ist".
Bei Armut unterschied Ziselsberger in materielle, unfreiwillige und krankmachende Armut. Betroffenen von diesen Formen begegne die Caritas tagtäglich in ihren Sozialberatungsstellen. Materielle Armut bedeute, dass das Geld nicht ausreicht, um alle Verpflichtungen des Alltags bestreiten zu können. Als unfreiwillige Armut bezeichnete Ziselsberger einen Mangel, der die positiven Seiten des Verzichts nicht kenne, wie er etwa in Klöstern gelebt werde. "Unfreiwilligkeit schränkt ein, macht Angst, fördert Ohnmacht und reduziert Handlungsspielräume."
Armut sei in weiterer Folge krank machend, da sie die Integrität der Betroffenen einschränke. "Im Gespräch mit Fachkräften höre ich oft, dass Armut zu Aggression in Familien führt. Die finanzielle Belastung führt zur psychischen Überforderung und mündet in Gewalt", so die Erfahrung des St. Pöltner Caritas-Direktors.
Jeweils eine Woche nach Ostern feiert die katholische Kirche den "Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit", den Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 eingeführt hat. Die Feier am Weißen Sonntag steht in vielen Pfarren im Zeichen der Nächstenliebe und wird oft von Spendenaufrufen begleitet.
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Quelle: kathpress