
Scheuer: "Jägerstätter hat sich nicht in Resignation geflüchtet"
Der seliggesprochene Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter habe zwar den Krieg nicht beenden und die Nationalsozialisten nicht stoppen können, ist aber angesichts "der Übermacht der Bosheit auch nicht in die Ohnmacht oder in die Resignation geflüchtet": Mit diesen Worten hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer beim Gedenkgottesdienst in der Pfarrkirche St. Radegund am Mittwochabend an das Glaubenszeugnis des am 9. August vor 80 Jahren von den Nazis wegen Wehrkraftzersetzung hingerichteten Märtyrers erinnert. Jägerstätter habe durch seine Gewissensentscheidung das Evangelium und die Nachfolge Jesu umgesetzt und "nicht gewartet, bis es bessere Umstände für den Glauben und das Bekenntnis gibt".
Anlässlich des 80. Todestages Jägerstätters fanden am Dienstag und Mittwoch in seinem oberösterreichischen Heimatort St. Radegund das jährliche internationale Gedenken statt. Das Programm standen ein Abendgebet, eine Fußwallfahrt sowie die Präsentation der neuen digitalen Jägerstätter-Edition, die die Gesamtausgabe der Schriften des Ehepaars online zugänglich macht. Weiters sprach der Asylexperte Herbert Langthaler über das Thema "Verfolgungsgrund Kriegsdienstverweigerung". Nach dem Gottesdienst mit dem Linzer Diözesanbischof zogen die Teilnehmenden mit einer Lichterprozession zur Jägerstätter-Grabstätte.
Jägerstätter habe sich ähnlich wie andere Selige aus der NS-Zeit das Gefängnis "die innere Freiheit in der Diktatur und im Gefängnis bewahrt": "Solange man ein ruhiges Gewissen haben kann, dass man kein schwerer Verbrecher ist, kann man auch im Gefängnis im Frieden leben", zitierte Scheuer den Seligen. Der Kriegsdienstverweigerer habe sich damit gegen die Abstumpfung des Gewissens, der Anpassung der Urteilskraft, Menschenverachtung, Gottlosigkeit und "Knechtung des Willens" gewehrt. Laut Scheuer ist Jägerstätters Entscheidung "nicht einfach vom Himmel gefallen", sondern gewachsen und gereift. Seine Haltung stehe nicht für einen radikalen oder idealen, sondern einen betenden Menschen.
Jägerstätter-Schriften online zugänglich
Der Innviertler Landwirt, Mesner und Familienvater Franz Jägerstätter (1907-1943) hatte sich aus Glaubensgründen geweigert, mit der Waffe für das Nazi-Regime in den Krieg zu ziehen. Daraufhin wurde er vom Reichskriegsgericht in Berlin wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tod verurteilt und vor 80 Jahren, am 9. August 1943, in Brandenburg an der Havel durch Enthauptung hingerichtet. Die Seligsprechung erfolgte am 26. Oktober 2007 im Linzer Mariendom, der liturgische Gedenktag Franz Jägerstätters ist sein Tauftag, der 21. Mai.
Am Mittwochvormittag stellten im Pfarrheim Tarsdorf Andreas Schmoller und Verena Lorber vom "Franz und Franziska Jägerstätter Institut" der Katholischen Privatuniversität Linz die neue digitale Jägerstätter-Edition vor. Sie beinhaltet den bisher umfassendsten Bestand an Schriften und Korrespondenzen rund um den Seligen Kriegsdienstverweigerers und Märtyrers. Die 183 Briefe und Karten sind über die eigens eingerichtete Webseite https://edition.jaegerstaetter.at frei zugänglich.
Auch heute Flucht vor Waffen und Krieg
Aktualitätsbezüge stellte beim Gedenken der Asylexperte und Chefredakteur von "asyl aktuell", Herbert Langthaler, mit Ausführungen zum Thema "Verfolgungsgrund Kriegsdienstverweigerung" her. Er thematisierte dabei rechtliche Aspekte wie die Genfer Menschenrechtskonvention, aber auch die Situation in Österreich. Mit anschaulichen Fallbeispielen von Geflohenen aus Ländern wie Russland, Afghanistan, Syrien, Belarus oder der Ukraine analysierte Langthaler Praktiken der österreichischen Asylpolitik und wagte trotz offenkundiger Ungerechtigkeiten einen optimistischen Ausblick in die Zukunft.
Nach dem Gottesdienst mit dem Linzer Diözesanbischof zogen die Teilnehmenden mit einer Lichterprozession zur Jägerstätter-Grabstätte. Dazu angereist waren nach Angaben der Diözese Linz rund 150 Personen aus Österreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Frankreich und den USA. Unter den Teilnehmenden waren auch die Jägerstätter-Biografin Erna Putz, Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer und Mitglieder der Familie Jägerstätter.
Quelle: kathpress