
Ordensfrau im Einsatz gegen Menschenhandel: "Armut macht ausbeutbar"
Im Vorfeld des internationalen Welttags der Menschenrechte (10. Dezember) hat die "Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel" auf das Schicksal unzähliger Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Ausbeutung sowie physischer und psychischer Gewalt hingewiesen.19 NGOs schlossen sich 2015 zur Plattform zusammen, eine davon ist "Solwodi Österreich". Deren Leiterin Sr. Anna Mayrhofer informierte gemeinsam mit Vertreterinnen anderer Mitgliedsorganisationen bei einer Wiener Pressekonferenz über das Thema. Die Gründe, warum Frauen Opfer von Menschenhandel werden, seien vielfältig und würden sich doch mit einem einzigen Satz zusammenfassen lassen, so Sr. Mayrhofer: "Armut macht ausbeutbar."
Die Frauen wollten der Armut in ihren Heimatländern oder einer dysfunktionalen Familie entfliehen; doch statt des versprochenen Jobs als Kellnerin oder Zimmermädchen würden sie skrupellose Menschenhändler erwarten, die sie gewaltsam in Bordelle verschleppten. Für viele Frauen sei es auch die Verantwortung für den Lebensunterhalt der Familien und der Kinder, die oft bei Verwandten im Heimatland zurückgelassen werden, die sie in dieser tragischen Situation verharren ließen. Flucht sei freilich ohne Papiere und ohne Geld in den meisten Fällen ohnehin unmöglich, so Mayrhofer. Die Täter kämen oft aus der eigenen Familie, seien Nachbarn oder Freunde, die sie mit falschen Versprechungen oder mit Drohungen gefügig machten.
Mayrhofer berichtete weiters davon, dass die meisten Frauen schwer traumatisiert sind, wenn sie im "Solwodi"-Schutzhaus Aufnahme finden. "Die Frauen leiden unter psychischen Folgen, etwa posttraumatischen Belastungsstörungen, haben Angst, Schlaf- und depressive Störungen", so die Ordensfrau. Viele Frauen würden unter Panikattacken und Schlafstörungen leiden und müssten daher regelmäßig Medikamente einnehmen. So gut wie alle hätten darüber hinaus Angst, vor der Polizei gegen ihre Peiniger auszusagen. Das sei jedoch Voraussetzung, um vom Staat als Opfer von Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung anerkannt zu werden und dadurch Zugang zu staatlicher Unterstützung zu erhalten. - Sr. Mayrhofer sprach damit ein Problem an, das unisono von allen Mitgliedsorganisationen kritisiert wird.
Der Zugang zu grundlegenden Opferrechten, zu denen sich Österreich im Rahmen der Europaratskonvention verpflichtet hat, setze die "offizielle" Identifizierung von Opfern voraus, schlug Katharina Beclin, Koordinatorin und Sprecherin der Plattform, in die gleiche Kerbe. Dies sei in Österreich derzeit immer noch ausschließlich der Polizei vorbehalten und setze daher eine Anzeige bzw. Aussage der Betroffenen bei der Polizei voraus. Da die meisten Opfer - zumindest anfangs - psychisch dazu nicht in der Lage seien, bleibe ihnen der Zugang zu vielen ihnen aufgrund internationaler Konventionen zustehenden Rechten verwehrt.
Damit nicht genug, sei daran zumeist auch die Frage des Aufenthaltsrechts geknüpft, das wiederum Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis ist. Betroffene würden daher oft Scheinselbstständigkeit oder Prostitution als letzten Ausweg sehen - was ihre Situation weiter verschlimmert.
Beclin kritisierte bei der Pressekonferenz zudem, dass Menschenhandel und Ausbeutung von der Öffentlichkeit immer noch kaum wahrgenommen oder schlichtweg verdrängt würden.
Hilfe zu Autonomie und Selbsthilfe
"Solwodi Österreich" ist eine Anlaufstelle für Frauen, die von Gewalt, Menschenhandel oder Not betroffen sind. Der Verein bietet neben kurzfristigen Kriseninterventionen auch ganzheitliche Beratungs- und Betreuungsangebote für Frauen und ihren Kindern an. Man wolle den Frauen dadurch sowohl psychische Stabilität bieten als auch eine Stärkung des Selbstwertgefühls und die Entwicklung neuer Lebensperspektiven erzielen. In Akutsituationen bestehe auch die Möglichkeit, in anonymen Schutzwohnungen unterzukommen. Bei allem stünde aber die Autonomie der Frauen und die Hilfe zur Selbsthilfe im Mittelpunkt.
Der österreichische Verein wurde von sechs Ordensgemeinschaften, unter anderem von der Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Heiland, Salvatorianerinnen und der Caritas Socialis Schwesterngemeinschaft, gegründet. Er geht auf den Verein "Solwodi" zurück, der international tätig ist und von Sr. Lea Ackermann 1985 in Kenia ins Leben gerufen wurde. Mittlerweile ist der internationale Verein in mehreren europäischen Ländern tätig und setzt sich für eine verbesserte Stellung von Frauen ein.
Wie bei der Pressekonferenz der Plattform deutlich wurde, würden die Teuerungen und der gleichzeitige Rückgang der Spenden den NGOs, die sich gegen Menschenhandel einsetzen, finanziell stark zusetzen. "Wenn nicht rasch der Staat finanzielle Unterstützung bietet oder Sponsoren gefunden werden, stehen diese Leistungen vor dem Aus", schlug Beclin Alarm. Ihre Bitte: "Vielleicht ist Weihnachten ja der passende Zeitpunkt, um Menschen, die es dringendst brauchen, ein Stück Zukunft zu schenken!" (Infos: www.gegenmenschenhandel.at)
Quelle: kathpress