Armutskonferenz will Chancenindex für armutsbetroffene Kinder
Einen Chancen- und Sozialindex an benachteiligten Schulstandorten nach internationalem Vorbild fordert die Armutskonferenz. In Österreich sollen aktuell über 130.000 Volks- und Unterstufenschülerinnen und -schüler in armutsbetroffenen Haushalten leben, informierte Martin Schenk, Sprecher des Netzwerks, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Wien. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Schulabbrüche betrage in Österreich jährlich über eine Milliarde Euro, rechnete Schenk vor. Die flächendeckende Einführung eines Chancen- und Sozialindex belaufe sich hingegen auf 500 Millionen Euro. Damit wäre ein solcher Chancen- und Sozialindex, wie er bereits in London, Toronto und Hamburg umgesetzt wurde, auch ökonomisch sinnvoll, argumentierte der Sozialexperte der Diakonie.
"Schule kostet einiges in Österreich, sie darf den Kindern aber nicht die Zukunft kosten", betonte Schenk. Insbesondere der oft benötigte Nachhilfeunterricht sei für Kinder aus ärmeren Haushalten kaum bezahlbar. Abhilfe schaffen würde hier ein guter, kostenfreier Förderunterricht in den Schulen, so der Armutskonferenz-Sprecher. Auch ein Ganztagsschulsystem würde dazu beitragen, die Schere bei der Bildung zu verringern.
Ein Chancen- und Sozialindex müsse die Einkommenssituation der Eltern berücksichtigen, ebenso wie ihren Bildungs- und sozialen Status. In Städten, in denen es ein solches System gebe, habe es sich bewährt, so Schenk. Vornehmlich die Qualität des Unterrichts, sowie eine bestimmte Haltung der Lehrer gegenüber den Schülern und Schülerinnen seien hierbei ausschlaggebend, so der Experte.
Schulen in kritischen Lagen verbesserten sich selten aus sich heraus, sondern benötigten einen Impuls von Außen. Es dürfe aber kein öffentliches Ranking gefördert werden, da ein solches, die Ungleichheit nur fördere, sagte Schenk.
Integrative Finanzbildung wichtig
Es brauche an den Schulen eine integrative Finanzbildung, zeigte sich der Bildungswissenschaftler Herbert Pichler von der Uni Wien überzeugt. Als Fach, in der eine solche Bildung verortet sein sollte, böte sich Geografie an. Klar sei, Gegenwarts- und Zukunftsfragen könnten nur durch vernetztes Denken angegangen werden, isoliertes Lernen sei nicht zielführend. "Wirtschaftliche Bildung muss integrativ gelehrt werden, da sie ganz oft mit gesellschaftlichen und sozialökonomischen Implikationen einhergeht", so der Wissenschafter. Beispielhaft sei der Umstand, dass immer mehr Jugendliche Konsumschulden anhäuften, diese aber irgendwann nicht mehr zurückzahlen könnten.
Der Grund dafür liege zum einen am leichten Zugang zu Konsumkrediten, etwa durch "Kauf jetzt, bezahl später"-Angeboten, zum anderen an der Überflutung mit Werbung in den sozialen Medien, in denen Influencer zum Kauf verschiedener Produkte verführten. Jugendliche seien heute 8 bis 10 Stunden online und davon zu einem großen Teil auf sozialen Netzen wie Instagram oder TikTok unterwegs. Hier sei die schulische Wirtschaftsbildung, der in Woche ein bis zwei Stunden zur Verfügung stünden, "auch ein bisschen auf einem verlorenen Posten", wand der Wissenschaftler ein.
Alleinerziehende unter Druck
Besonders unter Druck würden Alleinerziehende geraten, was oft durch eine unflexible Kinderbetreuung bedingt sei, berichtete Doris Pettighofer von der Plattform für Alleinerziehende. Zwar sei in den vergangenen Monaten viel Geld in den institutionellen Ausbau der Kinderbetreuung geflossen, was grundsätzlich begrüßenswert sei, so Pettighofer. Für Alleinerziehende seien es aber oft die Randzeiten, etwa an Wochenenden, die sie etwa beim Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit behinderten. Es brauche daher speziell in den ersten Monaten nach dem Wiedereinstieg eine flexible, ergänzende Elementarpädagogik, so Pettighofer, die dazu aufrief, die Lebenswelten der Alleinerziehenden genau anzuschauen.
Von 15. bis 17. April findet in Salzburg die 14. österreichweite Armutskonferenz statt. Bei dieser soll ein alternatives Regierungsprogramm erarbeitet werden, das Maßnahmen beinhalten soll, die Ungleichheit vermindern und verfestigte Armut aufbrechen soll. Das Programm soll im Herbst präsentiert werden, hieß es. Es gehe nicht mehr um kosmetische Korrekturen, sondern um eine Zukunft ohne Armut. (Infos: https://www.armutskonferenz.at/)
Quelle: kathpress