
Studie: Höheres Risiko für psychische Erkrankungen nach Abtreibung
Im Vorfeld des Welttags der psychischen Gesundheit am 10. Oktober macht eine kanadische Langzeitstudie auf die Bedeutung seelischer Gesundheit im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen aufmerksam. Laut einer im Journal of Psychiatric Research veröffentlichten Untersuchung weisen Frauen nach einer Abtreibung ein deutlich höheres Risiko für psychiatrische Klinikeinweisungen auf als nach einer Geburt. Das Wiener Bioethikinstitut IMABE betont in einer Zusammenschau der Studie, dass die psychischen Langzeitfolgen von Abtreibungen ein bislang unterbeleuchteter Aspekt in der öffentlichen Diskussion seien, obwohl sie viele Frauen beträfen.
Für die bevölkerungsbasierte Studie wurden 1.257.528 Schwangerschaftsverläufe in Québec zwischen 2006 und 2022 analysiert, darunter 28.721 Abtreibungen. Die Daten wurden bis zu 17 Jahre nachverfolgt. Die Auswertung zeigt: Die Hospitalisierungsrate wegen psychiatrischer Erkrankungen, Substanzgebrauchsstörungen oder Suizidversuchen war bei Frauen nach einer Abtreibung 2,5-mal so hoch wie nach einer Geburt (104,0 vs. 42,0 pro 10.000 Personenjahre).
Besonders gefährdet waren laut Studie junge Frauen unter 25, Frauen mit früheren Lebendgeburten, mehrfachen Schwangerschaftsabbrüchen sowie Frauen mit psychischen Vorerkrankungen. Letztere wurden nach einer Abtreibung rund neunmal so häufig stationär aufgenommen wie Frauen ohne Abbruch. "Auch 17 Jahre nach Abtreibung blieb das Risiko für psychiatrische Hospitalisierung in unserer Studie erhöht", schreiben die Autoren.
Am höchsten war das Risiko innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Abbruch, insbesondere für Suizidversuche und Substanzstörungen wie etwa Kokain- oder Halluzinogenmissbrauch. Auch im Langzeitverlauf blieb vor allem das Risiko für substanzbezogene Störungen signifikant erhöht. Durch die große Stichprobe und die lange Beobachtungszeit gelten die Ergebnisse als besonders aussagekräftig. Als objektive Endpunkte wurden ausschließlich Klinikaufenthalte erfasst.
IMABE verweist auf die Bedeutung dieser Daten für eine faktenbasierte Debatte. Bereits 2023 hatte das Wiener Institut 14 internationale Studien zu psychischen Folgen von Abtreibung verglichen, mit dem Ergebnis: Es gebe keine einzige Studie, die evidenzbasiert eine schützende Wirkung auf die Psyche nachweise. Im Gegenteil: "Hochwertige Studien belegen statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Abtreibung und Depression, Angstzuständen, Suizidalität sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch", so IMABE-Direktorin Susanne Kummer.
Ein direkter Kausalnachweis sei zwar methodisch nicht möglich, die Unterschiede im langfristigen psychischen Gesundheitsverlauf zwischen Frauen mit und ohne Abtreibungserfahrung seien aber "nicht von der Hand zu weisen". Dennoch sei der Schwangerschaftsabbruch in vielen Ländern - etwa in Österreich, Deutschland oder Großbritannien, teils bis zur Geburt - bis heute rechtlich als Mittel zum Schutz der psychischen Gesundheit anerkannt. In Großbritannien etwa wurden 2021 rund 98 Prozent aller Abtreibungen mit "psychischer Indikation" durchgeführt.
Dem widerspricht etwa die deutsche ELSA-Studie, die auch 2025 erneut erklärte, es gebe "keine Hinweise auf gravierende psychische Langzeitfolgen". Diese Einschätzung werde jedoch der aktuellen Datenlage nicht gerecht, so IMABE. Frauen hätten ein Recht auf vollständige Aufklärung über mögliche psychische Risiken, betont das Institut. Dazu brauche es nicht nur Information, sondern auch den Zugang zu therapeutischer Nachbetreuung. Das Thema psychische Gesundheit nach Abtreibung dürfe zudem nicht länger tabuisiert werden.
Quelle: kathpress