
Sozialethiker warnen vor sozialer Schieflage durch KI
Zu einer aktiven Gestaltung der digitalen Revolution haben kirchliche Sozialethiker aufgerufen und vor den sozialen Folgen der Künstlichen Intelligenz (KI) gewarnt. Nötig seien gerechte Rahmenbedingungen mit Fokus auf den Menschen, weniger auf die Maschine, so der Tenor in der aktuellen Ausgabe der St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt". Ein Beitrag daraus brachte den Sozialethiker und Bundesseelsorger der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Karl Immervoll, die Pastoraltheologin Regina Polak und der Unternehmer Sebastian Podesser ins Gespräch.
"Es gibt keinen Bürojob der Welt, den KI nicht jetzt und heute übernehmen könnte", sagte Podesser, der mit seiner Firma "thirdmind" sogenannte "AI-Coworker" - digitale Arbeitnehmer - entwickelt. KI könne Aufgaben von Datenbankverwaltung über Kundenservice bis hin zur Vertragsprüfung übernehmen. Die Frage sei jedoch, "wo dann der Mensch bleibt". Aufhalten lasse sich die Entwicklung nicht, so Podesser. Letztlich komme es aber darauf an, wie die gesamte Gesellschaft mit dieser Entwicklung umgeht.
Dringend notwendig seien Antworten auf Fragen nach Gerechtigkeit, Arbeit und Menschenwürde, forderte Immervoll. An befürchtete dystopische Folgen wie Massenarbeitslosigkeit, Massenverwahrlosung, Massenarmut glaubt der Sozialethiker aber nicht: "Das hat man auch in der industriellen Revolution angekündigt und sie ist nicht eingetreten." Es werde immer Bereiche geben, "in denen es den Menschen braucht".
Wichtig sei die Schaffung von gesetzlichen Regelungen, "die auch kleinen Betrieben eine Überlebenschance in der KI-Revolution ermöglichen". Diese drohten sehr wohl durch KI im Wettbewerb zurückzubleiben, wodurch viele Menschen ihre Arbeit verlieren könnten. Ziel müsse daher sein, "Menschen nach ihren ureigenen, individuellen Fähigkeiten zu beschäftigen und dafür eine finanzielle Anerkennung zu schaffen".
Auch im Bildungssystem orteten die befragten Fachleute großen Reformbedarf infolge der KI. Lernen werde sich vollkommen verändern müssen, meinte dazu die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak: "Kompetenzen wie selbständiges und differenziertes Urteilen, Argumentieren, Schreiben und Lesen werden wichtiger werden denn je und müssen auf neue Weise gelernt und geübt werden - sonst droht die KI, den menschlichen Geist zu ersetzen."
Warten auf Papst-Enzyklika
Papst Leo XIV. hatte zuletzt ebenfalls vor den gesellschaftlichen Folgen der digitalen Revolution gewarnt. "Wenn wir den Wert der Menschlichkeit aus dem Blick verlieren und meinen, dass die digitale Welt Alles und das Ziel von Allem ist, dann muss die Kirche ihre Stimme erheben", so der Papst. Er sehe in der Entwicklung der KI eine Herausforderung wie in der ersten Industriellen Revolution, auf die Papst Leo XIII. mit der Sozialenzyklika Rerum Novarum reagiert hatte.
Das Lehrschreiben von 1891 war das erste, das sich dezidiert mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit auseinandersetzt hatte; Schlagworte wie Personalität, Gemeinwohl, Solidarität und Subsidiarität fanden sich hier bereits vertreten. Der Mensch müsse - egal ob Arbeiter oder Fabrikbesitzer - in seiner individuellen Geschöpflichkeit wahr- und ernstgenommen werden, aber sich auch gemäß der Nächstenliebe der Gemeinschaft solidarisch zuwenden und so zum Gemeinwohl beitragen, so der Tenor. - Erwartungen zufolge wird die erste Enzyklika von Leo XIV. die KI thematisieren.
Quelle: kathpress