
Caritas warnt vor wachsender sozialer Schieflage
"Armut hat sich verfestigt, und besonders betroffen sind Frauen", erklärte Caritas-Tirol-Direktorin Elisabeth Rathgeb am Donnerstag. Laut dem Armutsbericht des Landes sind in Tirol mehr als 111.000 Menschen armutsgefährdet. Mehr als 18.000 Personen gelten als arm. Österreichweit lebten 2024 336.000 Menschen in absoluter Armut - ebenso viele wie 2023 zuvor. Eine neue Caritas-Studie belegt zudem, dass Frauen in gemeinsamen Haushalten ein dreimal so hohes Armutsrisiko haben wie Männer. Die geplanten Kürzungen sozialer Leistungen würden "gerade jetzt, wo die Teuerung viele Menschen belastet" besonders jene betreffen, "die ohnehin schon mit dem Wenigsten auskommen müssen".
Besonders gefährdet seien Frauen und Kinder. "Kürzungen dürfen nicht zulasten von Kindern und Jugendlichen gehen - etwa bei den Familienbeihilfen. Bereits 2024 wuchsen 79.000 Kinder und Jugendliche in Österreich in absoluter Armut auf. Jede weitere Einsparung droht, diese traurige Zahl weiter in die Höhe zu treiben", so Rathgeb.
Erleichtert zeigte sich die Caritas-Direktorin über die Rücknahme der ursprünglich geplanten Einsparungen im Behindertenbereich durch das Land Tirol. Diese hätten "gerade jene Einrichtungen getroffen, die Menschen mit Behinderungen Tagesstrukturen und Teilhabe ermöglichen", etwa das Caritas Zentrum-Zillertal. Viele dieser Angebote seien langfristig gewachsen und unverzichtbar.
Wie notwendig soziale Unterstützung ist, zeigen auch die Zahlen der Caritas-Sozialberatung in Tirol: Bis Ende September wurden knapp 4.000 Beratungen gezählt - konstant auf hohem Niveau. "Wir erleben eine Situation, in der Menschen zunehmend mit den alltäglichen Kosten kämpfen - von Miete über Energie bis zur Grundversorgung", sagte Somi Jochum, Leiterin der Caritas-Sozialberatung. Besonders Frauen suchten Hilfe, viele von ihnen, um Lebensmittel oder Schulmaterial für ihre Kinder finanzieren zu können.
Armutsrisiko steigt mit Familiengründung
Die am Mittwoch präsentierte neue Caritas-Studie verweist auf strukturelle Ursachen weiblicher Armut. "Die ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit bleibt ein wesentlicher Faktor. Care-Arbeit ist in Österreich nach wie vor überwiegend Frauensache", so Rathgeb. Mit der Familiengründung steige das Armutsrisiko für Frauen weiter an, während es für Männer sinke. Sozial- und Steuerleistungen könnten diese Ungleichheit bislang nicht ausgleichen. Als konkrete Maßnahme unterstützt die Caritas bewusst Frauen mit Lebensmittelgutscheinen, Sachspenden und Beratung. "In der Sozialberatung geben wir Lebensmittelgutscheine ganz gezielt an Frauen aus, die sich selbst und ihre Kinder nicht ausreichend ernähren können - und nicht an den Mann in der Familie, der meist die Hoheit über die Finanzen hat", erläuterte Jochum. Auch Alleinerziehende stünden im Fokus der Unterstützung - etwa durch die Aktion "Schulstartklar", bei der Familien Gutscheine für Schulmaterial erhalten.
Neben akuter Hilfe brauche es jedoch strukturelle Lösungen, betont die Hilfsorganisation: Nötig seien leistbares Wohnen, faire Löhne und soziale Sicherheit. "Ein starkes soziales Netz ist keine Wohltat, sondern Grundlage für eine stabile und solidarische Gesellschaft", so Rathgeb und rief gleichzeitig zur Inlandssammlung der Caritas Tirol zu Spenden für Menschen in Not auf. Die Mittel kommen unter anderem Projekten für Armutsbetroffene, Frauen in Notlagen, obdachlose Menschen und Familien mit Kindern zugute.
Quelle: kathpress