
Quast-Neulinger zu 60 Jahre "Nostra aetate": "Dialog ist Offenbarung"
Angesichts zahlreicher Bedrohungen eines moralischen Universalismus und der Menschenrechte durch gewaltbereite Machtpolitik und technokratische Allmachtsbestrebungen braucht es mehr interreligiösen Dialog und prophetischen Einsatz. Dafür hat die an der Innsbrucker Universität lehrende Theologin Quast-Neulinger plädiert und sich dabei u. a. auf die vor 60 Jahren beschlossene Konzilserklärung "Nostra aetate" bezogen. Anlass dafür war eine internationale Tagung in Frankfurt, bei der die Fundamentaltheologin am Samstag referierte.
In Zeiten, wo weltpolitisch das Recht des Stärkeren im Vormarsch sei und "Begriffe, Definitionen, Rechte umgedeutet, ausgehöhlt, entleert, missbraucht und zum Wegwerfartikel auf dem Weg zur absoluten Macht degradiert werden", gelte es eine bessere Vision und gute Erzählung einer menschenrechtsbasierten Ordnung zu entwickeln. Es brauche ein entschiedenes Eintreten für einen moralischen Universalismus, "den wir prophetisch in interreligiöser Verantwortung bezeugen", so Quast-Neulinger.
Dies sei nicht selbstverständlich, so die Theologin im Rückblick auf bahnbrechende Konzilstexte. So habe das Konzil vor 60 Jahren zwar einen Weg zu universaler Geschwisterlichkeit eröffnet. "Besonders in den Auseinandersetzungen um Nostra Aetate und Dignitatis Humanae wird deutlich, dass dieser Weg nicht vorhersehbar war. Die Widerstände und auch Intrigen waren zahlreich", so die Theologin, die auch heute Herausforderungen in der Rezeption ortete und fragte: "Sind wir bereit, aus christlicher Überzeugung in interreligiöser Verantwortung ernsthaft für ein universales Menschheitsethos einzutreten? Auch gegen innere und äußere Widerstände? Der identitären Versuchung der politisch-imperialen Macht zu widerstehen und in prophetischer Radikalität, d. h. verwurzelt in dem einen Gott, der die Wahrheit ist und allen das Leben eröffnet, demütig gemeinsam Zeugnis abzulegen für Friede, Freiheit und Gerechtigkeit aller?"
Das Zweite Vatikanische Konzil habe die katholische Kirche daran erinnert, dass sie nicht um ihrer selbst willen existiert, sondern im Dienst des Lebens aller steht. "Dieser Dienst realisiert sich konzentriert in der dialogischen Existenz mit allen guten Willens", betonte Quast-Neulinger und rief dabei die Kernaussagen der Konzilsdokumente in Erinnerung: "Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu stiften", diese Formulierung in "Nostra aetate" sei ein "programmatischer Selbstauftrag". Zudem sei die Kirche laut "Gaudium et spes" "Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person". Schließlich sei Religionsfreiheit in der unveräußerlichen, universalen Würde der menschlichen Person verankert, wie "Dignitatis humanae" festhielt. Also, so die Theologin: "keine Sonderrechte für Katholiken, sondern universale Menschenrechte unabhängig von Rasse, Geschlecht, Religion, Nation."
Interreligiöser Dialog
Der Einsatz für ein universales Menschheitsethos brauche vor allem den interreligiösen Dialog, denn "niemand von uns ist die Wahrheit, niemand von uns ist Gerechtigkeit, niemand von uns ist Gott. Wir alle sind auf dem Weg und brauchen einander, um vor und mit Gott wahrhaft Mensch zu werden und uns dem Wahren und Guten anzunähern in der Hoffnung auf Vollendung, Einheit, Ruhe des Herzens."
Im interreligiösen Dialog könne man einander einen Raum universaler Menschlichkeit eröffnen. Quast-Neulinger wörtlich: "In der interreligiösen Begegnung geht mir etwas von Gott und Mensch auf, das mir in meinem eigenen Stübchen versagt bleibt. Ja, Dialog ist Offenbarung, insofern hier das Andere unerwartet hereinbricht und der Horizont neu aufgeht."
Bei der Tagung "60 Jahre Nostra aetate/Ad gentes. Universalismus als Herausforderung für Mission und interreligiösen Dialog" sprachen u.a. der Augsburger Bischof Bertram Meier, der Sekretär des Dikasteriums für den interreligiösen Dialog, Indunil Kodithuwakku Janakaratne Kankanamalage, die Tübinger Theologin Johanna Rahner sowie der senegalesische Philosoph Souleymane Bachir Diagne. Veranstalter waren das deutsche Institut für Weltkirche und Mission (IWM), die Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) sowie der Stiftungslehrstuhl "Katholische Theologie im Angesicht des Islam".
Quelle: kathpress