
Künstlerin Lisa Schmid: Am Friedhof ist nicht nur der Tod zuhause
Der Tod hat sie zu vielen Stücken inspiriert und begleitet die Wiener Liedermacherin und Kabarettistin Lisa Schmid schon von Kindheitsbeinen an. Gefürchtet habe sie sich vor ihm eigentlich nie, wie sie in einer neuen Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig" im Vorfeld von Allerseelen erklärte. "Ich bin ja als kleines Mädchen an einem nasskalten Regentag bei der Beerdigung meines Urgroßvaters ausgerutscht und in ein offenes Grab gefallen. In meinem Kabarettprogramm erzähle ich immer, dass damals mein Werdegang schon besiegelt wurde", so die Künstlerin.
Friedhöfe und Kirchen sind für Schmid Inspirations- und Kraftorte, wo nicht nur der Tod zu Hause ist. Zum 150. Geburtstag des Wiener Zentralfriedhofs schmiss sie eben diesem im Vorjahr sozusagen eine Party und kuratierte das Programm zum Jubiläum, bei dem sie mit den Künstlern Ernst Moden, Nino aus Wien und Felix Kramer auftrat. "Das war für mich eine irrsinnige Ehre. Zum 100. Jubiläum haben Wolfgang Ambros und Joesi Prokopetz ihm das Lied 'Es lebe der Zentralfriedhof' gewidmet und voriges Jahr durfte ich das Programm gestalten."
"Friedhofsprinzessin"
Mittlerweile trägt die Künstlerin den Beinamen "Friedhofsprinzessin". Hin und wieder ist in Simmering am Zentralfriedhof - quasi zwischen Grabsteinen - auch das ein oder andere Lied mit ihrem Bandkollegen David Poglin entstanden. Begonnen hat die "dunkle Leidenschaft" für den Tod aber viel früher bei Friedhofsgängen mit ihrer Großmutter, wo ihr gemeinsames "morbides Hobby" entstand: Begräbnisse zu "crashen". Ihr Lied "Happy End" erzählt humorvoll von diesen Erlebnissen.
Hinter dem eigenartigen Freizeitprogramm stand aber auch die Intention der Großmutter, ihre Enkelin mit dem Tod vertraut zu machen. "Meine Mama war in meiner gesamten Kindheit sehr krank und der Tod immer eine Möglichkeit. Das ist natürlich sehr verstörend für ein Kind, wenn man Angst hat, die eigene Mutter zu verlieren", erzählte Schmid. Das Streifen über die Friedhöfe Wiens sollte ihr helfen, das Thema Tod besser fassen zu können. "Auf einem Friedhof hab' ich noch nie Angst gehabt, ich fürcht' mich, glaub' ich, unter den Lebenden mehr als unter den Toten", so die für ihren morbiden Humor bekannte Künstlerin, den sie von ihrer Oma "vererbt" bekommen hat.
Während ihres Schauspielstudiums brachte sie ihr Dozent darauf, ihre Geschichte als Kabarettprogramm auf die Bühne zu bringen. 2019 trat sie zum ersten Mal mit ihrem Solostück "Ehrengrab" auf und wurde dafür vom Kabarettisten Viktor Gernot mit dem Titel "Kabarett Talent 2020" ausgezeichnet. Aufgetreten ist sie damit unter anderem in der Aufbahrungshalle des Wiener Zentralfriedhofs. "Es wurde dann wirklich eine Beerdigung vorgetäuscht. Ich bin von Sargträgern in einem geschlossenen Sarg hineingetragen worden und dann wie aus einer Torte herausgesprungen", beschrieb Schmid ihren Auftritt.
Humorvoll dem Tod begegnen
Im Quatsch Comedy Club Berlin sei das Kabarettprogramm hingegen nicht vollends gut angekommen. "Ich glaube, die Berliner haben diese Art von Morbidität nicht verstanden." Dabei sei ihr Stück nicht pietätlos oder Klamauk, "sondern einfach nur morbid und ein humorvoller Zugang zum Tod", erzählte Schmid. Humor könne in schweren Zeiten helfen, mit dem Tod leichter umzugehen. "Das trifft natürlich nicht auf alle zu. Jede und jeder muss seinen eigenen Zugang zu dem Thema finden. Humor ist nur eine Möglichkeit von vielen", so die Kabarettistin.
Vor zwei Jahren verstarb die Großmutter der Künstlerin - "nicht die morbide Oma, sie ist heute 93, sondern die Mutter meiner Mutter", sagte Schmid. Damit habe sich auch ihr Verhältnis zum Tod und zum Glauben an das Leben nach dem Tod verändert. Das hat sich wiederum auch in ihrem aktuellen Album "Bittersüss" niedergeschlagen. Ihre Lieder sind positiver geworden, wie sie selber sagt. Am Sterbebett ihrer Großmutter hat sie das Lied "Amoi no" für sie geschrieben. "Es geht um den Wunsch, dass jemand bleibt, obwohl das ja eigentlich ein egoistischer Wunsch ist, und darum, noch einmal mit der Verstorbenen ein schönes Erlebnis zu teilen."
Ihr Lied "Steh ned wanand on mein Grob", das am 31. Oktober auch als Single erscheint, drückt hingegen die Akzeptanz im Trauerprozess aus. "Es handelt davon, dass die verstorbene Person an Orten und in der Erinnerung weiterlebt, und wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, kann man das erkennen", so Schmid. Auch wenn man mit den Jahren nicht mehr jedes Muttermal im Kopf habe, sei da die Erinnerung und ein Gefühl, das auch der Tod nicht mitnehmen kann. "In unseren Erinnerungen leben die Verstorbenen weiter."
Kraftort Kirche
Ihre Vorstellungen über das Jenseits sind seit dem Tod ihrer Großmutter andere geworden: "Früher habe ich gesagt, dass ich glaube, dass nach dem Tod alles aus ist. Das muss ich revidieren. Es war anmaßend von mir zu sagen, wir haben nur die eine Chance, die wir nutzen sollten." Das Leben sei ein großes Geheimnis, ein Wunder und Rätsel, "und wenn man stirbt, bekommt man vielleicht die Auflösung dafür", wie es die Musikerin ausdrückte.
Sie hoffe, ihre verstorbenen Angehörigen wiederzusehen. "Und warum nicht an etwas Schönes glauben?" Getauft ist die Künstlerin nicht, doch "Kirchen habe ich immer schon als Kraftorte empfunden", erklärte Schmid. Egal, welches Land sie bereise, der erste Weg führe immer auf Friedhöfe und in Kirchen. "Ich habe schon öfter 20 Kerzen für jede und jeden, der mir nahesteht, angezündet und mir gedacht, das kann nicht falsch sein." Sie schätze die Stille, Atmosphäre und den Geruch in Kirchen, die sie zu positiven Orten für sie machen.
Zu Allerseelen wird sie das Grab ihrer Großmutter mit ihrer Familie besuchen. "Wir denken auch in ganz normalen Alltagssituationen an sie. Manchmal lachen wir bei dem Gedanken, was die Oma gesagt hätte, manchmal ärgere ich mich auch, dass sie weg ist. Aber Allerseelen ist der Tag, wo man bewusst an die Verstorbenen denkt, im Alltag passiert das so nebenbei", so Schmids Beschreibung des für sie "schönen Brauchs". An Allerheiligen sei sie am Zentralfriedhof. "Das ist dort so schön mit den ganzen Blumen und Kerzen, und vor dem Eingang kann man Maroni kaufen", die Stimmung dort sei "lebensbejahend".
Tod im Austropop
Lieder und Stücke zum Tod werden ihr nicht ausgehen, kündigte die Künstlerin zukünftige Projekte an, auch wenn sie sich eine Zeit lang Gedanken darüber gemacht habe, sich eine Weile von dem Thema loszulösen. Sie sei zu "verbandelt" mit dem Tod. In irgendeiner Form werde es das Kabarettprogramm "Ehrengrab" wieder geben. Für das Jahr 2026 sind ein Podcast und ein Liederabend mit dem Titel "Es lebe der Tod - Ein Streifzug durch den Tod im Austropop" geplant. (https://www.lisaschmid.at)
Die von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Podcastfolge "Friedhofsprinzessin Lisa Schmid: Ich fürcht mich mehr vor den Lebenden als vor den Toten" ist unter https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com/episodes/friedhofsprinzessin-lisa-schmid-ich-fuercht-mich-mehr-vor-den-lebenden-als-vor-den-toten, auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes und allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
Quelle: kathpress