
Wandel der Religion als neue Chance für Mission und Dialog
Österreich befindet sich in einem tiefgreifenden religiösen Wandel: Traditionelle Bindungen lösen sich, individuelle Formen von Spiritualität nehmen zu, und zugleich wächst das Bedürfnis nach Orientierung, Gemeinschaft und glaubwürdiger Begleitung. Fachleute sehen darin neue Chancen für kirchliche Präsenz, missionarisches Wirken und interreligiösen Dialog. Diese Entwicklungen bildeten den inhaltlichen Schwerpunkt des Missionstags, der am Mittwoch im Rahmen der Ordenstagungen stattfand. Dabei wurde laut Ordenskonferenz die Studie "Was glaubt Österreich?" präsentiert, zudem gab es Erfahrungsberichte aus dem Ordensleben.
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak sprach im Hinblick auf die gesellschaftlichen und religiösen Veränderungen von einem "Epochenwandel". Österreich bleibe zwar überwiegend religionsfreundlich, doch Einstellungen wandelten sich deutlich, zeige die von ihr geleitete Studie. "Viele Menschen stehen Religion und Religionsgemeinschaften kritisch oder gleichgültig gegenüber." Nur 22 Prozent der Bevölkerung glauben an einen personalen Gott; verbreiteter seien Vorstellungen von Schicksal oder einer universellen Kraft. Spiritualität spiele weiterhin eine Rolle, werde jedoch stärker individuell zusammengesetzt und an persönliche Bedürfnisse angepasst.
Auch innerhalb des kirchlichen Umfelds sei eine Erosion traditioneller Bindungen erkennbar. Polak leitete daraus einen wachsenden Bedarf an neuen Formen spiritueller Begleitung ab. Notwendig seien spirituelle Zentren, zeitgemäße katechetische Modelle sowie reflektierte, gut ausgebildete pastorale Mitarbeitende. Besonders junge Menschen suchten heute nach Sinn und Orientierung und seien entgegen verbreiteten Annahmen offen für religiöse Anknüpfungen, sofern diese ihre Lebensrealitäten ernst nehmen.
Die Studie "Was glaubt Österreich?" war 2024 in Zusammenarbeit mit dem ORF durchgeführt worden, mit 2.160 Befragten zwischen 14 und 75 Jahren. Eine vertiefende qualitative Auswertung wurde durch ein Oversampling der 14- bis 25-Jährigen ermöglicht, darunter katholische, orthodoxe und muslimische Jugendliche.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion wurde betont, dass Mission und Dialog heute untrennbar miteinander verbunden seien. Missionarisches Handeln müsse sich an einer respektvollen, dialogorientierten Haltung orientieren und sowohl sprachlich als auch praktisch glaubwürdig bleiben. Diskutiert wurde zudem der Wandel von Gottesbildern. Der oft mit "Ich bin da" übersetzte Gottesname sei im hebräischen Original ein Verb, das Gegenwart und Zukunft umfasse - ein Hinweis darauf, dass Glaube immer auch Bewegung, Wandel und Dynamik einschließe, wie die bei den Orden für Mission zuständigen Bereichsleiterin Sr. Annemarie Herzig zusammenfasste.
Der Nachmittag widmete sich Erfahrungsberichten von Ordensleuten aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Der Salesianerpater Johannes Haas erläuterte seinen Ansatz in der Jugendpastoral. Mission bedeute für ihn, durch Präsenz wirksam zu sein und "im Moment" für junge Menschen da zu sein. Projekte wie "Giovannis Wohnzimmer", "Pasta & Bosco" oder die "LernBar" sollen niederschwellige Räume bieten, in denen Begegnung möglich wird. Wichtige Elemente seien Zuhören, Verlässlichkeit und Begleitung junger Menschen bei der Suche nach ihrer Berufung.
P. Nixon Jose Kappalumakkal, Steyler Missionar und Kaplan in Wien, schilderte prägende Erfahrungen aus seinem pastoralen Alltag in der Großstadt. Besonders eindrücklich sei ein Sozialbegräbnis am Zentralfriedhof gewesen, bei dem außer ihm niemand anwesend war. "Gott lässt niemanden allein", sagte er. Bewegung und Begegnung spielen in seiner Arbeit eine zentrale Rolle: Wöchentliche Basketball- und Badmintonrunden schaffen niederschwellige Kontakte zu Menschen, die der Kirche oft distanziert gegenüberstehen. Gespräche ergeben sich häufig im Anschluss an das gemeinsame Spiel. Zusätzlich setzt P. Nixon auf Social Media, etwa bei Aktionen wie "Licht in der Dunkelheit". Sein Fazit: Glaube in der Stadt sei vielfältig und lebe vom Miteinander - "damit niemand allein bleibt".
Sr. Mary Naigaga, Barmherzige Schwester aus Uganda, berichtete von den Unterschieden zwischen ihrer Heimat, in der Religion stark sichtbar und hörbar sei, und dem zurückhaltenderen Glaubensleben in Österreich. In ihrer Arbeit begegnet sie Familien, die in Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheit Orientierung suchen. "Mission bedeutet für mich, nicht mit lauter Stimme zu predigen, sondern mit einem offenen Herzen zu leben", sagte sie. Die religiöse Vielfalt empfinde sie als Herausforderung und zugleich als Anlass, den eigenen Glauben zu vertiefen. Besonders beeindruckten sie Offenheit und Dankbarkeit der Kinder, mit denen sie arbeitet.
Zum Abschluss des Missionstags fassten Kleingruppen ihre Eindrücke zusammen. Eine Teilnehmerin brachte den Grundtenor auf den Punkt: "Das heute Gehörte lässt sich für mich so zusammenfassen, dass Mission einfach 'da sein für andere' bedeutet." (Infos: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress