
Nationalrat stimmt mit Mehrheit für Kopftuchverbot an Schulen
Der Nationalrat hat am Donnerstag mit Mehrheit ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren an Schulen beschlossen. Nur die Grünen stimmten - wie von der Austria Presseagentur berichtet - dagegen; sie befürworteten zwar das Anliegen, hielten das konkrete Gesetz aber für verfassungswidrig. Die FPÖ wiederum vermisste ein Verbot auch für Lehrerinnen, unterstützte jedoch den Koalitionsvorschlag. In der Novelle enthalten ist zudem eine neue Regelung zur Suspendierungsbegleitung. Das Kopftuchverbot für Kinder unter 14 Jahren an Schulen hat zuvor am 4. Dezember bereits den Bildungsausschuss des Nationalrats passiert.
Laut NEOS-Klubobmann Yannick Shetty geht es nicht um Einschränkung, sondern um den Schutz der Freiheit von Mädchen bis 14 Jahren. Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) verwies auf das Grundrecht auf persönliche Entwicklung ohne äußeren Zwang. Das Kopftuch sei kein neutraler Gegenstand, sondern ein Zeichen von Unterdrückung, argumentierte etwa Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP).
Aus Sicht der Koalition habe sich der gesellschaftliche Druck in den vergangenen Jahren verstärkt - inzwischen nicht nur aus dem familiären Umfeld, sondern auch durch männliche Jugendliche, die sich als "Sittenwächter" aufspielten, so Plakolm.
Auch FPÖ stimmte zu
Die FPÖ begründete ihre Zustimmung damit, dass das Thema erst durch "Massenzuwanderung" virulent geworden sei. Das Verbot sei eine langjährige Forderung der Freiheitlichen, erklärte Bildungssprecher Hermann Brückl. Das Kopftuch sei ein "bewusst gesetztes Zeichen des politischen Islam".
Anders Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer: Sie zeigte zwar Verständnis für das Anliegen, verwies jedoch auf die wahrscheinliche Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof. Jedes Mädchen habe Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben, es sei aber Aufgabe der Regierung, ein verfassungskonformes Gesetz vorzulegen. Eine verhaltene Reaktion zeigte die SPÖ. Heinrich Himmer betonte vorrangig die verpflichtende Suspendierungsbegleitung von bis zu 20 Wochenstunden für ausgeschlossene oder suspendierte Schülerinnen und Schüler. Perspektivengespräche sollen helfen, Schulabbrüche zu verhindern; bei mangelnder Kooperation drohen Eltern ebenfalls Strafen.
Die Bischofskonferenz hatte sich im Vorfeld ablehnend zum geplanten Kopftuchverbot für unter 14-jährige Mädchen geäußert. Zwar sei es unbestritten, dass es bei der Integration auch Probleme gebe, ein Verbot sei jedoch rechtlich fragwürdig und "nicht die richtige Methode", hatte sich dazu Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka geäußert. In Fragen religiöser Kleidung sollte es staatlich weder Gebote noch Verbote geben, denn genauso wenig wünschenswert wie ein Zwang zum Kopftuch sei es, "wenn es verboten wird". Drucksituationen etwa durch muslimische Mitschüler müssten durch die Schulaufsicht verhindert werden, mit Sanktionen gegen "diejenigen, die den Druck ausüben", so der Generalsekretär.
Inhalt und Konsequenzen
Das Kopftuchverbot für Schülerinnen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres umfasst das Tragen eines Kopftuches nach islamischen Traditionen - vom Hijab bis zur Burka. Es soll sowohl in öffentlichen Schulen als auch in Privatschulen gelten, nicht aber beim Unterricht außerhalb des Schulgebäudes sowie bei Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen außerhalb der Schule. Auch der häusliche Unterricht ist vom Verbot nicht umfasst.
Als Konsequenz bei einem Verstoß ist zunächst ein Gespräch mit der Schülerin und den Erziehungsberechtigten zu führen. Nützt das nichts, muss die zuständige Schulbehörde erneut zu einem Gespräch einladen. Bei einem erneuten Verstoß ist der Kinder- und Jugendhilfeträger zu verständigen, als letzte Konsequenz sind Geldstrafen von 150 bis 800 Euro zu verhängen.
Suspendierte bzw. ausgeschlossene Schülerinnen und Schüler müssen ab Herbst 2026 bis zu 20 Wochenstunden zur Suspendierungsbegleitung, in denen es einen Mix aus sozialpädagogischen Maßnahmen zur Wiedereingliederung und Unterricht gibt. Auch hier soll es Strafen für Eltern geben, die eine Kooperation verweigern. Gleiches gilt für die Nichtteilnahme am verpflichtenden Perspektivengespräch bei einem drohenden Schulabbruch.
IGGÖ kündigt VfGH-Beschwerde an
Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) wird das am Donnerstag vom Nationalrat beschlossene Kopftuchverbot an Schulen für Mädchen unter 14 Jahren vor den Verfassungsgerichtshof bringen. IGGÖ-Präsident Ümit Vural bezeichnete das Gesetz in einer Aussendung als Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte und verwies auf "erhebliche verfassungs- und menschenrechtliche Bedenken". Die Regelung soll im Februar 2026 in Kraft treten.
Vural - seit 2018 IGGÖ-Präsident - betonte, die Glaubensgemeinschaft lehne jeden Zwang ab, gleichzeitig müsse das Recht jener Kinder gewahrt bleiben, die aus eigener Entscheidung ein Kopftuch tragen möchten. Pauschale Verbote träfen aus Sicht der Glaubensgemeinschaft vor allem jene Mädchen, die ihre religiöse Praxis freiwillig leben.
"Kein Kind darf zum Kopftuch gedrängt werden, das ist für uns unverrückbar. Aber ebenso darf kein Kind durch staatliche Verbote daran gehindert werden, seine religiöse Identität freiwillig zu leben", erklärte der IGGÖ-Präsident.
Der Jurist kündigte eine Anrufung des VfGH an und verwies dabei auf das 2020 vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene frühere Kopftuchverbot. Als staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft sei die IGGÖ verpflichtet, Eingriffe in die Religionsfreiheit verfassungsrechtlich prüfen zu lassen, so Vural. Gleichzeitig warnte er vor einer Politik, die mit Verboten statt mit pädagogischen Lösungen arbeite: "Kinder brauchen Schutz, Bildung und Aufklärung, keine Symbolpolitik. Zwang lehnen wir ab. Freiheit verteidigen wir. Beides gleichzeitig, für jedes Kind."
Fehlende Daten
Im Gespräch mit der "Furche" (aktuelle Ausgabe) verwies Vural zudem darauf, dass die Bundesregierung das Gesetz mit Kinderschutzargumenten begründe. Die IGGÖ teile zwar die Ablehnung jeglichen Zwangs gegenüber Kindern, es fehlten jedoch belastbare Daten über das Ausmaß von Drucksituationen. "Die genannten Zahlen, von 12.000 Mädchen war hier zuletzt die Rede, lassen sich in keiner Weise verifizieren. Wie viele davon tatsächlich gezwungen werden, wissen wir überhaupt nicht", so Vural wörtlich.
Notwendig seien individuelle pädagogische Lösungen, Aufklärungsarbeit und die Einbindung der Eltern, sagte Vural. Zugleich kritisierte er jegliche gesellschaftliche Ausgrenzung jener Mädchen, die das Kopftuch als Teil ihrer religiösen Identität tragen.
Das Kopftuch sei für viele Frauen "gelebte Glaubenspraxis", so Vural. Entscheidend sei nicht das äußere Erscheinungsbild, sondern die gleichberechtigte Teilhabe: "Es muss sowohl mit als auch ohne Kopftuch möglich sein, in der Gesellschaft zu partizipieren."
Quelle: kathpress