
Die Forderungen des Volksbegehrens - Eine Analyse
Vom 15. bis 22. April 2013 findet das sogenannte "Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien" statt, das erstmals das Verhältnis des Staates zu den 14 in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften infrage stellt. Eine stärkere öffentliche Debatte dazu ist seit der Zeit vor Ostern im Gange, bei der sich sowohl politische Verantwortungsträger, als auch Rechtsexperten und Vertreter der Kirchen und Religionen überwiegend ablehnend zu den Forderungen gestellt haben. Kritisiert werden vor allem die fragwürdigen Behauptungen, mit denen die Initiatoren des Volksbegehrens agieren. Gleichzeitig ist ein sehr breiter Konsens über das in Österreich bestehende System der Trennung bei gleichzeitiger Kooperation von Staat, Kirchen und Religionsgesellschaften feststellbar.
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Zur Vorgeschichte: Ab 15. März 2011 versuchte eine Personengruppe mit Unterstützung einiger Initiativen (Plattform "Betroffene kirchlicher Gewalt", die "AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich" und der Freidenkerbund) ein "Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien" einzuleiten. Die dafür erforderlichen Unterstützungserklärungen (8.032) konnten knapp, aber zum Jahresende 2012 erreicht werden. Nach Prüfung durch das Innenministerium wurden insgesamt 8.567 Unterstützungserklärungen als gültig und somit ausreichend anerkannt.
Die Initiatoren wollen nach eigenen Angaben mit dem Volksbegehren ein Verfassungsgesetz erwirken, das "kirchliche Privilegien" abschaffen, eine "klare Trennung von Kirche und Staat" verankern und die "gigantischen Subventionen an die Kirche" streichen soll. Mit diesem Verfassungsgesetz wollen die Initiatoren offensichtlich erreichen, dass wesentliche Inhalte des Konkordats und andere religionsrechtliche Normen nicht mehr rechtlich anwendbar sind. Darüber hinaus wird die Forderung nach einem eigenen "Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchs- und Gewaltverbrechen" erhoben. Als Begründung für das geplante Volksbegehren sprechen die Initiatoren von angeblichen "Kirchenprivilegien", die den Bildungsbereich genauso betreffen wie das Steuerrecht oder den ORF.
Der Text des Volksbegehrens sowie die diesbezügliche Begründung sind auf der Internetseite des zuständigen Bundesministeriums für Inneres abrufbar. Als Bevollmächtigter seitens der Betreiber fungiert Niko Alm als Sprecher der "Initiative gegen Kirchenprivilegien" sowie als seine Stellvertreter der Physiker Prof. Heinz Oberhummer, der ärztliche Leiter des "Gynmed"-Ambulatoriums für Schwangerschaftsabbruch, Christian Fiala, sowie Sepp Rothwangl, und Monika Zacher.
Irreführende Rede von Privilegien
Mit Zurückhaltung und Kritik reagierten bisher sowohl Experten als auch Kirchenvertreter auf das Volksbegehren. Als "zu platt und undifferenziert" qualifizierte etwa Prof. Richard Potz von der Juristischen Fakultät der Universität Wien schon im März 2011 die Forderungen und Begründungen der Initiatoren. In einer von Prof. Potz jetzt für die neue Internetseite www.pro-religion.at verfassten Stellungnahme betont dieser, dass der Kritik des Volksbegehrens etwas "seltsam antiquiert Kulturkämpferisches" anhaftet. Der Begriff "Kirchenprivilegien sei "irreführend" und die von den Betreibern des Volksbegehrens angeführten Beispiele würden "überwiegend unrichtige bzw. in der Ungenauigkeit verfälschende Feststellungen sowie sachlich nicht zu rechtfertigende Forderungen" enthalten.
Kardinal Christoph Schönborn bezeichnete im März 2011 bei der Pressekonferenz nach der damaligen Vollversammlung der Bischofskonferenz die Inhalte des Volksbegehrens als "diffus und konfus". Jüngst betonte der Kardinal in der "Ö1"-Radiosendung "Im Journal zu Gast", dass durch das Volksbegehren alle 14 gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften gleichermaßen betroffen seien.
Im Vorwort zu einem von der Bischofskonferenz kurz vor Ostern erschienen Faltblatt mit dem Titel "Was bringt Kirche" verweist der Kardinal auf die vielfältigen Leistungen der Kirche für die Allgemeinheit. "Wenn das alles heute von einigen unter den Generalverdacht 'Kirchenprivilegien' gestellt wird, müssen wir dazu Rede und Antwort stehen", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Im Falter werden dann anhand von Zahlen und Fakten die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft dargestellt, die sich aus der Kooperation von Staat und Kirche ergeben und die Bereiche Gemeinschaft, Soziales, Bildung und Kultur betreffen.
Faktencheck zu behaupteten "Kirchenprivilegien"
Der Info-Flyer der Bischofskonferenz geht auf einige Kritikpunkte der Initiatoren des Volksbegehrens ein und verweist auf die offizielle Internetseite der katholischen Kirche, wo unter www.katholisch.at/wasbringtkirche u.a. auch ein Faktencheck zu den Punkten des Volksbegehrens durchgeführt wird.
So wird im Text zur Einreichung des Volksbegehrens beispielsweise kritisiert, dass die "Erhaltung katholischer Privatschulen und Kindergärten überwiegend aus Steuergeldern" komme. Unberücksichtigt bleibt dabei das Faktum, dass das konfessionelle Privatschulwesen dem Staat Ausgaben erspart, weil die kirchlichen Schulerhalter die Kosten für das Verwaltungspersonal, die Finanzierung der Schulbauten und aller Unterrichtsmittel, mit Ausnahme der Schulbücher, selbst tragen. Würde der Staat diese Aufgaben übernehmen, so wäre jährlich ein Mehraufwand von rund 50 Mio. Euro allein für den Betrieb der Schulen erforderlich. Dabei sind die weit höheren Investitionskosten für den Bau neuer Gebäude noch gar nicht berücksichtigt sind, die der Staat tragen müsste, wenn er selbst die Infrastruktur für die rund 70.000 Schüler tragen müsste, die allein die 335 katholischen Privatschulen besuchen.
Sehr salopp wird von den Initiatoren des Volksbegehrens behauptet, dass kirchliche Besitztümer vielfach grundsteuerbefreit seien. "Ja, aber" ist dazu zu sagen, weil die Steuerbefreiung nur für jene Liegenschaften gilt, die dem Gottesdienst, der Seelsorge oder der Verwaltung dienen, somit für Kapellen, Kirchen und Pfarrhöfe genauso wie für jüdische Synagogen, muslimische Moscheen oder buddhistische Tempel. Für alle anderen kirchlichen Liegenschaften (land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaften, Miet-Wohngrundstücke oder unbebaute Liegenschaften) zahlt die Kirche voll die Grundsteuer.
In ähnlicher Tonart ist die Behauptung, wonach kirchliche Güter größtenteils aus Mitteln der Allgemeinheit saniert werden. Auch das ist falsch und wurde vom staatlichen Bundesdenkmalamt selbst zurückgewiesen. Die Kirche hält dazu fest, dass sie bei Renovierungen weit mehr Mehrwertsteuer zahlt, als es dafür Zuschüsse aus dem Denkmalschutz gibt. Die kirchlichen Leistungen seien daher für den Staat gewinnbringend, von den positiven Wirkungen für die Gesellschaft und die Wirtschaft, insbesondere den Tourismus, ganz abgesehen.
Verdrängung von Religion aus der Öffentlichkeit
Viele Forderungen und Behauptungen der Initiatoren des Volksbegehrens zielen offensichtlich darauf ab, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften insgesamt möglichst in die private Sphäre zurückgedrängt werden, um nur ja nicht im öffentlichen Raum wirken zu können. Dieser Haltung entspricht auch die Behauptung, wonach der ORF per Vertrag gezwungen sei, ausführliche Religionssendungen auszustrahlen. "Diese kostenlosen und vielfach vatikannahen Belangsendungen spiegeln schon lange nicht mehr die Interessen der österreichischen Bevölkerung wider", behaupten die Initiatoren.
Auch diese Feststellung erweist sich als falsch, weil es keinen "Vertrag" zwischen dem ORF und den Kirchen gibt. Grundlage für den öffentlich-rechtlichen ORF ist vielmehr der gesetzliche Programmauftrage, der die "angemessene Berücksichtigung der Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften" vorsieht.
Ob es um die Zuteilung von Zivildienern zu kirchlich-karitativen Einrichtungen oder die steuerliche Absetzbarkeit für Spenden für kirchliche Organisationen, die im Bereich der Armutsbekämpfung und der Entwicklungszusammenarbeit engagiert sind, geht: überall sehen darin die Initiatoren ungerechtfertigte "Privilegien" der Kirche. Unterschlagen wird das Faktum, dass in all diesen Fällen die Kirche nach sachlichen Kriterien gleich behandelt wird wie andere Institutionen, die eine vergleichbare Leistung erbringen.
Das jetzt aufgelegte Volksbegehren wird zeigen, wie viele Personen es zu einer Unterschrift bewegen wird können. Die Rechtsordnung sieht eine Mindestanzahl von 100.000 Unterschriften vor, damit seine Behandlung im Parlament verpflichtend ist. Gemeinsam mit den 8.567 Unterstützungserklärungen bräuchten die Betreiber des Volksbegehrens somit dafür noch 91.433 Unterschriften.
Quelle: Kathpress