Umweltexperten: Fakten-Check zu "Laudato si"
Wissenschaftlich unangreifbar, aus einem tiefchristlichen Verständnis geschrieben und dabei gleichzeitig nicht nur für Theologen verständlich: So lässt sich der lobende Tenor einer Diskussion zusammenfassen, bei der Umweltexperten aus Wissenschaft, Kirche und Politik dieser Tage die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus unter die Lupe genommen haben. Diskutanten wie Boku-Rektor Martin Gerzabek, die Umweltaktivistin Isolde Schönstein oder die frühere Umweltministerin Maria Rauch-Kallat verwiesen dabei in der Wiener Pfarre Baumgarten besonders auf den ganzheitlichen Ansatz des päpstlichen Lehrscheibens. Franziskus wende sich darin an alle Ebenen der Gesellschaft, sagte Gerzabek: "Es wird niemand ausgelassen: nicht die Politik, nicht die Staaten, nicht jeder Einzelne."
"Laudato si" reihe sich ein in eine Vielzahl früherer Dokumente, die die Basis der katholischen Soziallehre bilden, erinnerte der Boku-Rektor bei dem Gespräch. Franziskus' Forderung nach Humanökologie mit Bezug auf sozioökonomische Fragestellungen und nachhaltiger Entwicklung sei in dieser Form jedoch in keiner früheren Papst-Enzyklika enthalten, betonte Gerzabek.
Auch Schönstein, die die auch im kirchlichen Bereich wirkende "Arbeitsgemeinschaft Schöpfungsverantwortung" leitet, bezeichnete die Verbindlichkeit der Umweltaussagen als entscheidendes Novum der Enzyklika sowie, "dass es einen Papst gibt, der dahinter steht". Die Umweltaktivistin betonte ebenfalls die ganzheitliche Sicht des Papst-Schreibens. Schließlich helfe es doch gar nichts, "wenn wir den Armen irgendwo Spenden zukommen lassen, um ihr Leid zu lindern, wenn wir gleichzeitig mit unserem Konsum genau dort Schaden anrichten". Dass die westeuropäische Gesellschaft "zu jenen fünf Prozent der Menschheit gehört, die 80 Prozent der Ressourcen weltweit verbrauchen, muss uns klar gemacht werden und zum Nachdenken anregen, wie weit das auch mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun hat", sagte Schönstein.
Die ehemalige Umweltministerin Rauch-Kallat verwies ebenso auf die klaren Handlungsanweisungen in der Enzyklika. Der Papst analysiere sehr verständlich die Schuld, die der Mensch bei der Zerstörung der Umwelt auf sich geladen habe und beschreibe, welche Verantwortungen jeder für seine ganz persönliche Umwelt, die gesamte Ökologie und die Armut in der Welt trägt. Rauch-Kallat hob auch das letzte "Laudato si"-Kapitel zur ökologische Erziehung und Spiritualität hervor. "Letztendlich liegt es an uns allen, auch die nächste Generation entsprechend zu erziehen, dass sie mit den Ressourcen gut umgeht, die wir haben", sagte die frühere Spitzenpolitikerin.
Zu den weiteren Teilnehmerin des Podiumsgesprächs zählten der emeritierte Direktor des Naturhistorischen Museums und Ökologie-Pionier, Bernd Lötsch, und der Wiener Pfarrer und Moraltheologe Gregor Jansen. Lötsch betonte, er sei tief beeindruckt, dass "Laudato si" die Umweltthemen wissenschaftlich unangreifbar und hoch kompetent beschreibe. Die Enzyklika sei "bereichert durch ethische Imperative, die man als aktiver Umweltschützer nur unterschreiben kann", meinte der Biologe. "Laudato si" besteche durch eine "spirituelle Überhöhung", welche die Aufgabe einer dringenden ökologischen Wende direkt aus zeitlosen christlichen Werten wie "Teilen, Verzichten, Fasten, franziskanische Schöpfungsliebe zu Kreatur" herauszulesen vermag.
Der Papst beziehe sich in seinem Lehrschreiben auf den "State of the Art" der Wissenschaft", sagte Jansen. "Es geht um reale Sorgen", unterstrich der Pfarrer mit Blick auf von Klimaskeptikern laut gewordene Kritik an der Enzyklika. Jansen berichtete dazu von einer kürzlich absolvierten Philippinenreise wo er im Gespräch mit den Menschen dort "unmittelbar mitbekommen habe, was Klimawandel heißt". In der besuchten Region hätten sich die Jahreszeiten bereits verschoben, schilderte der Pfarrer. Die Gegend sei vor anderthalb Jahren von einem schweren Taifun fast komplett zerstört worden.
Quelle: Kathpress