Fußwaschung - Eine theologische Relecture
Ihren ungewöhnlichen Zugang zur neutestamentlichen Erzählung von der Fußwaschung vor dem Letzten Abendmahl hat die Grazer Religionswissenschaftlerin Ulrike Bechmann in der aktuellen Ausgabe der Kärntner Kirchenzeitung "Der Sonntag" dargelegt: "Viele denken, man muss sich in der Erzählung zur Fußwaschung mit Jesus identifizieren, der den Jüngern die Füße wäscht. Sie folgern daraus den moralischen Appell: Jetzt muss ich Füße von Armen waschen. Das gerät leicht zur Überforderung." Sie glaube dagegen, der "Clou der Geschichte" liege darin, sich mit dem sich zunächst sträubenden Petrus zu identifizieren, dem Jesus die Füße wäscht. Dieser weigert sich dreimal, diesen Dienst anzunehmen.
"Ich finde diesen Text genial, um daran die eigenen Einstellungen zu studieren", erklärte die Grazer Theologieprofessorin. "Sich einzugestehen, verletzlich zu sein, ist viel schwieriger, als etwas wegzugeben." Nach der Interpretation Bechmanns lehnt Petrus den Gott ab, den Jesus ihm offenbaren will. Sein Widerstand zeige sich in der Haltung "Ich habe es nicht nötig, mich von Gott bedienen - erlösen - zu lassen". Letztlich werde Bedürftigkeit damit als Schwäche abgetan. Angewiesenheit auf andere sei schwer zu akzeptieren. "Wir haben das oft bei Menschen, die anderen, am wenigsten den Kindern, nicht zur Last fallen wollen, die Mühe damit haben, wenn sie gepflegt werden müssen oder Hilfe benötigen." Doch Gott - so Bechmann - beschenkt, fängt alle Schwäche auf, noch bevor Menschen etwas leisten müssen.
Woher kommt die Angst? Ich glaube, das kommt daher, dass wir eben die eigene Bedürftigkeit nicht anerkennen können, und weil wir Bedürftigkeit mit Verlierern identifizieren.
Wer sich auf Petrus einlasse, "der exemplarisch ganz abwehrend letztlich auf das ungeheuerliche Geschenk des Lebens und der Auferstehung reagiert", stehe vor der Frage: "Kann ich zugeben, dass ich nicht alles aus mir heraus kann?" Und das entspricht laut Bechmann so gar nicht der Ökonomisierung der Welt mit ihrem Leistungsdenken, in der Verlierer aussortiert werden.
Flüchtlinge schüren Angst vor Bedürftigkeit
Die Religionswissenschaftlerin sieht hier auch eine Verbindung zur aktuellen Flüchtlingskrise. Die Herausforderung, dass 550 Millionen Europäer eine Million Flüchtlinge aufnehmen, "ist weder finanziell noch sonst eine echte Bedrohung". Früher seien viel mehr Flüchtlinge verkraftet worden, "nicht zum Schaden Europas". Und trotzdem verstärkt sich nach Beobachtung Bechmanns eine letztlich nicht rationale Panik, sogar von sehr wohlhabenden Leuten. "Woher kommt die Angst? Ich glaube, das kommt daher, dass wir eben die eigene Bedürftigkeit nicht anerkennen können, und weil wir Bedürftigkeit mit Verlierern identifizieren."
Die Botschaft der Auferstehung ist für Bechmann "das letzte und größte Geschenk Gottes". Mit dem Auferstandenen leuchte der Sinn des Kreuzes auf: "Keine Tat der Solidarität ist jemals umsonst. Die Fußwaschung ist das Einüben dahinein, dass Gott schenkt und dass man sich beschenken lassen darf. Beschenkte Menschen können teilen."
Quelle: Kathpress