Europäisches Forum Alpbach auf Spur einer "Neuen Aufklärung"
Einen breiten Themen-Mix unter dem Generalmotto "Neue Aufklärung" bietet heuer das "Europäische Forum Alpbach". Insgesamt 5.000 Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur werden bei dem internationalen Kongress vom Mitte August bis Anfang September in den Tiroler Bergen u.a. Fragen zur Zukunft der EU und Menschenrechtsthemen diskutieren. In der traditionellen Seminarwoche zum Auftakt wird dabei laut Programm auch der Beitrag der Religion zu jenen "konstruktiven Wege für das 21. Jahrhundert" thematisiert, die die Veranstalter beim Forum aufzeigen wollen.
Die Europäische Union erlebe derzeit eine Belastungsprobe nach der anderen, erinnerte Forum-Alpbach-Präsident Franz Fischler im Vorfeld. "Wir beobachten in vielen Bereichen der Gesellschaft, wie sich alte Gewissheiten auflösen und die Skepsis wächst." Notwendig seien nun "tatkräftige Menschen, die nicht den Rückschritt in die nationale Isolation wählen, sondern neue konstruktive Wege suchen" und "dem Zweifel mutige Ideen entgegensetzen", so der frühere EU-Kommissar.
Vor den ein- bis dreitägigen Symposien zu den Themen Gesundheit, Bildung, Technologie, Recht, Politik, Baukultur und Finanzmarkt - erwartet werden zahlreiche international bekannte Teilnehmer wie WTO-Generaldirektor Pascal Lamy, die US-Ökonomen Mariana Mazzucato und Jeffrey Sachs oder der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis - steht in Alpbach ab 17. August die wissenschaftliche Seminarwoche, bei der sich 16 interdisziplinäre Seminare aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven dem Generalthema widmen.
Den Beitrag des Sakralen zur Freiheit des Menschen in einer humanen Gesellschaft untersucht dabei die Veranstaltung "Europas Ethos und das Heilige". "Auch in der säkularisierten und aufgeklärten Welt Europas stößt man überall auf Spuren des Sakralen. Bedeuten diese einen bloßen Anachronismus oder steckt dahinter eine verschüttete Wahrheit, die im gegenwärtigen Europa bloß verdrängt wird?", wird in der Ankündigung des vom an der Universität Wien lehrende Fundamentaltheologen Kurt Appel und der Innsbrucker Religionsphilosophin Claudia Paganini geleiteten Seminar gefragt. Ein weiteres der insgesamt 16 interdisziplinären Seminare beleuchtet unter dem Titel "Religion und Herrschaft" den politischen Machtanspruch von Religion. Referenten sind hier der asiatische Religionswissenschaftler Izak Lattu und die Islamwissenschaftlerin Fatimah Husein.
Darüber hinaus kommen explizit religiöse bzw. theologische Fragestellungen in Alpbach dem Programm zufolge nur in einigen wenigen Veranstaltungen zur Sprache. Eine der Ausnahmen ist ein prominent besetztes Podiumsgespräch im Rahmen der "Hochschulgespräche". Am 24. August diskutieren der Theologe und Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, der Leiter des im Bundeskanzleramt angesiedelten Kultusamtes, Oliver Henhapel, und die langjährige Mediensprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Carla Amina Baghajati, das Thema "Universitätsautonomie und Theologien. Zu einem (un-)aufgeklärten Spannungsverhältnis". Zu den weiteren Podiumssteilnehmern zählen Wolfgang Palaver, Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, und der Wiener evangelische Theologiedekan Martin Rothgangel genauso wie Uni-Wien-Vizerektor Heinz Faßmann und die Vizerektorin der Akademie der bildenden Künste Wien, Andrea Braidt.
Ethische und religiöse Themenkreise dürften in Alpbach freilich zahlreiche Veranstaltungen begleiten - zum Beispiel wenn es bei den "Gesundheitsgesprächen" um bioethische Fragestellungen und die Möglichkeiten der Medizin geht oder sich die "Rechtsgespräche" mit Themen wie "Menschenrechten auf der Flucht" oder dem "Familienbild im Recht" beschäftigen.
Interreligiöse Morgenbetrachtungen
Einen ausdrücklich religiösen Akzent beim Forum bilden hingegen erneut die "interreligiösen Morgenbetrachtungen", die jeweils das tägliche Vortrags- und Seminarprogramm eröffnen: Sie werden abwechselnd u.a. vom Salzburger Erzbischof Franz Lackner, dem Klagenfurter Diözesanbischof Alois Schwarz, vom evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker, dem Rabbiner Walter L. Rothschild sowie weiteren Religionsvertretern - unter ihnen der muslimische Imam Tarafa Baghajati und Kambiz Poostchi von den österreichischen Bahai - gehalten.
Am Sonntag, 21. August, feiert der Erzbischof von Trient, Luigi Bressan, in der Alpbacher Pfarrkirche um 9 Uhr den traditionellen Gottesdienst im Rahmen der "Tiroltage". An diesem Tag wird in dem Tiroler Bergdorf auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet, der im Rahmen eines Festakts das erweiterte neue Kongresszentrum eröffnen soll.
Das Europäische Forum Alpbach (EFA) ist eine interdisziplinäre Plattform für Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur. Seit 1945 widmet sich das anfänglich noch als "Internationale Hochschulwochen" bezeichnete Forum aktuellen europäischen Fragestellungen. Ziel ist u.a. die Förderung des internationalen Dialogs und die "Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprojekts" wie die Veranstalter auf ihrer Website www.alpbach.org erklären.
Quelle: kathpress