
Lebensschutz und Asyl: Wo Parteien-Unterschiede sichtbar werden
Wie halten es die heimischen Parteien mit sozialer Gerechtigkeit, Lebensschutz und dem Stellenwert der Religion in der Gesellschaft? Diesen Fragen ging Radio Klassik Stephansdom in zwei Sondersendungen (Mittwoch, 11. Oktober, und Freitag, 13 Oktober) nach. Inhaltliche Differenzen wurden u.a. bei Fragen zur Mindestsicherung aber auch beim Lebensschutz oder der Ehe deutlich.
Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Gudrun Kugler (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Irmgard Griss (Neos) und Ulrike Lunacek (Die Grünen) stellten sich in der Freitagssendung den Fragen von Johannes Reinprecht, Leiter des Instituts für Ehe und Familie der Österreichischen Bischofskonferenz, und Menerva Hammad, eine österreichische Journalistin und Muslima mit Migrationshintergrund.
Keine einheitliche Meinung gab es gleich zur Frage, ob nicht die Möglichkeit, vermeintlich behinderte Kinder bis unmittelbar vor der Geburt abzutreiben, endlich abgeschafft werden sollte. Kugler sprach davon, dass die derzeitige Regelung "stark zu hinterfragen" sei. Und: "Eigentlich sollten wir das nicht mehr zulassen." Lunacek ging nicht auf die rechtliche Situation ein, sprach aber davon, werdenden Eltern von behinderten Kindern Mut zu machen für ein Leben mit ihrem Kind. Griss hielt die derzeitige rechtliche Situation für "sehr problematisch" und forderte einen breiten gesellschaftlichen Diskurs ein. Vielen Menschen in Österreich sei das Probleme überhaupt nicht bewusst, meinte Griss.
Strache sprach sich klar für ein Änderung der derzeitigen rechtlichen Situation aus, schließlich gehe es hier um das Recht auf Leben. Heinisch-Hosek wollte hingegen nicht an der bestehenden Regelung rütteln. Die Entscheidung für oder gegen das Kind sollte in der Verantwortung der Eltern bleiben.
Unterschiedlich auch die Einstellung der Parteien zur Ehe. Lunacek und Griss wollten die Institution Ehe für alle öffnen, Heinisch-Hosek fügte hinzu, dass auch gleichgeschlechtlichen Paaren der Kinderwunsch erfüllt werden sollte. Kugler wollte die ehe als Rechtsinstitution auf eine Verbindung von Mann und Frau beschränkt belassen, Strache sprach vom Recht des Kindes auf Mutter und Vater. Er kritisierte, dass in der politischen bzw. gesellschaftlichen Diskussion über Kinder vielfach schon wie über "Waren" bzw. "Bestellgut" gesprochen werde.
"Hetze vor der Wahl"
Hart ins Gericht mit der "Hetze vor der Wahl" gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen mit Migrationshintergrund gingen Heinisch-Hosek, Griss und Lunacek. Erstere sprach von "billigem Kleingeld für Wahlen", letztere warnte vor einer Gefahr für den gesellschaftliche Zusammenhalt. Auch Kugler kritisierte entsprechende Radikalisierungs- und Polarisierungstendenzen. Strache ging hart mit einer "undifferenzierten Zuwanderungspolitik" ins Gericht, deren Folgen u.a. Parallel- und Gegengesellschaften in Österreich seien.
Auf das Kopftuch angesprochen meinte Strache, dass es sich vor allem um ein politisches Symbol und ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen handle, "und das wollen wir nicht". Auf einen frauenfeindlichen Aspekt wies in dieser Frage auch Griss hin, und auch Lunacek betonte, dass das Kopftuch aus freien Stücken getragen werden müsse. Heinisch-Hosek mahnte mehr Solidarität mit muslimischen Frauen und generell mehr Toleranz in der Gesellschaft ein. Kugler zeigte sich mit dem aktuellen Verschleierungsverbot zufrieden. Das sei auch ein wichtiges frauenpolitisches Signal.
Christentum prägt Österreich
Kugler hob auf Anfrage hervor, dass das Christentum wesentlich die Geschichte bzw. Identität Europas geprägt habe. Rechtsstaatlichkeit und die Anerkennung der Menschenrechte seien wesentlich auch von christlichen Werten abgeleitet. "Christliche Werte haben Österreich nie geschadet sondern weitergebracht", so Kugler wörtlich. Strache zu dem Thema: "Das Kreuz gehört zu unserer Kultur und Identität." Das sei von jedem in Österreich zu akzeptieren. Auch Griss sprach von den christlichen Werten als "Grundlage unseres Zusammenlebens".
Allgemeiner blieben Heinisch-Hosek und Lunacek: Beide wiesen darauf hin, dass Religion grundsätzlich wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und globale Gerechtigkeit sein könne.
Leistbares Wohnen
Zum Themenbereichen "Caritas und Soziales" stellten Caritas Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner und Frau Brigitte, eine 59-jährige, von Altersarbeitslosigkeit und Altersarmut betroffene Wienerin, die Fragen. Auf Maßnahmen angesprochen, um Wohnen wieder leistbar zu machen, sprachen sich Heinisch-Hosek und Lunacek dezidiert für Mietzinsobergrenzen aus. Ausdrücklich dagegen war Kugler, die für einem solchen Fall eine Minderung der Wohnqualität befürchtete. Mehr sozialen öffentlichen Wohnbau forderten alle Parteienvertreter, Griss sprach sich auch für mehr individuelle Wohnbeihilfen aus. Lunacek setzte zudem auf mehr thermische Sanierung, um Wohnkosten langfristig zu senken.
Bundesweit einheitliche Standards bei der Mindestsicherung wünschten sich Heinisch-Hosek, Kugler, Lunacek und Griss. Lunacek wies darauf hin, dass die Mindestsicherung als Überbrückungshilfe gedacht sei, sie sprach sich gegen Kürzungen bzw. Deckelungen aus und forderte einen vereinfachten Zugang zur Mindestsicherung. Ähnlich argumentierte Griss, sie forderte zugleich aber auch verstärkte Maßnahmen, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen.
Kugler forderte eine Deckelung pro "Bedarfsgemeinschaft" mit 1.500 Euro, einen stärkeren Fokus auf Sachleistungen und mehr Arbeitsanreize. Strache kam hinsichtlich der Mindestsicherung auf Asylberechtigte zu sprechen. Einen Anspruch auf Mindestsicherung solle erst bekommen, wer zuvor im Land gearbeitet und ins Sozialsystem eingezahlt habe. Asyl bedeute "Schutz auf Zeit" mit einer Grundversorgung, die vor allem aus Sachleistungen bestehe, so Strache.
Zur Grundversorgung für Asylanten bekannten sich prinzipiell die Vertreter aller Parteien, Heinisch-Hosek und Lunacek warnten zugleich davor, einzelne gesellschaftliche Gruppierungen, in diesem Fall Asylanten und Mindestpensionisten, gegeneinander auszuspielen. Für Kugler dürfe das österreichische Sozialsystem nicht so "großzügig" sein, dass Menschen aus aller Welt angezogen werden.
Griss zeigte sich überzeugt, dass es bzgl. des Einkommens einen Unterschied geben müsse, ob jemand Mindestsicherung bezieht oder einer Arbeit nachgeht, bzw. sein Leben lang gearbeitet hat und dann in Pension geht.
Heinisch-Hosek und Kugler wiesen zum Thema Pensionen darauf hin, dass die Mindestpensionen dieser Tage um 2,2 Prozent erhöht wurden, das Problem der Altersarmut sei freilich evident. Für Lunacek müsse die Politik hier vor allem Frauen verstärkt in den Fokus nehmen. Strache forderte eine Mindestpension von 1.200 Euro netto für diejenigen, die 40 bis 45 Jahre gearbeitet haben. Für alle anderen müsse es zumindest eine Pension in Höhe der Mindestsicherung geben. Griss forderte mehr Arbeitsplätze für ältere Menschen, um das heimische Pensionssystem zukunftsfit zu machen.
Einkommensschere zwischen Arm und Reich
Um die Einkommensschere zwischen Arm und Reich im Land wieder ein wenig mehr zu schließen, sprach sich Heinisch-Hosek für mehr Lohntransparenz und bessere Vereinbarkeiten von Familie und Beruf aus. Kugler forderte u.a. eine steuerliche Entlastung der unteren Einkommensgruppen und zusätzliche Entlastungen für Familien.
Für Strache müsse sich "Leistung wieder lohnen", Mindestsicherungsbezieher sollten Gemeinschaftsdienste leisten, sonst solle man ihnen Sozialleistungen kürzen. Die Reichen im Land würden bereits genug Steuern zahlen.
Demgegenüber sprach sich Lunacek dezidiert für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer aus, so sollten auch die zehn Prozent der reichsten Österreich mehr zum Gemeinwohl beitragen. Für Griss lässt sich die Einkommensschere letztlich nur durch mehr Bildung schließen. Zudem sollten die Lohnnebenkosten für Arbeitgeber gesenkt werden.
Nochmals zum Thema Flucht bzw. Migration: Einig waren sich alle Parteienvertreter, dass es verstärkt - und qualitativ besser - Hilfe vor Ort brauche. Kugler wollte dabei vor allem in den Herkunftsländern in den Mittelstand investieren, damit die Menschen ihre Wirtschaft selbst entwickeln und verbessern können. Lunacek mahnte neben mehr Entwicklungszusammenarbeit vor allem auch fairere Handelsbeziehungen ein. Griss drängte auf ein europaweit einheitliches Asylrecht und Asylzentren außerhalb Europas.
Der Sender "radio klassik Stephansdom" ist ein Privatradio im Eigentum der Erzdiözese Wien. Inhaltliche Schwerpunkte sind neben klassischer Musik auch Lebenshilfe, Service und Orientierung, ergänzt durch Nachrichten, Diskussionen und Hintergrundinformationen aus Kirche und Gesellschaft. In Wien und Umgebung terrestrisch auf der Frequenz 107,3 MHz und digital über DAB+ empfangen werden, sowie auch über UPC und Kabelplus. In mehreren Bundesländern ist das Programm über UPC auf Kanal 863 zu hören, sowie im Live-Stream unter www.radioklassik.at.
Quelle: kathpress