Wiener Rubens-Ausstellung: Kentaur wird zu leidendem Christus
Das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) ist seit Dienstag Schauplatz der Sonderausstellung "Rubens. Kraft der Verwandlung". Bis 21. Jänner 2018 sind 120 Exponate aus dem rund fünfzigjährigen Schaffen des Malerei-"Stars" - wie es in der Ankündigung des meistbesuchten Wiener Museumsverbands heißt - Peter Paul Rubens (1577-1640) zu sehen, darunter zahlreiche mit Themen aus der Bibel. Die "Kraft der Verwandlung" veranschaulicht die Schau u.a. am Beispiel einer antiken Kentaur-Skulptur, die der flämische Barockmeister in mehreren Arbeitsgängen zu einem leidenden Christus abwandelte.
Schwerpunkt der in Kooperation mit dem Frankfurter Städel Museum gestalteten Ausstellung ist dieser häufige Dialog von Rubens mit Kunstwerken berühmter Vorgänger und Zeitgenossen. Seine Bezugnahme auf Werke von Künstlern unterschiedlicher Epochen - aus Antike und Renaissance, von Meistern wie Tizian oder Caravaggio - sei "häufig erst auf den zweiten Blick erkennbar", Besucher der Schau könnten die Korrelationen durch den direkten Vergleich nun im Detail nachvollziehen, warb das KHM.
Das Kunsthistorische Museum besitzt etwa vierzig Gemälde des Meisters und seiner Werkstatt. Dazu zählen farbstarke und figurenreiche Hauptwerke wie die riesigen Altarbilder für die Antwerpener Jesuitenkirche, "Die Beweinung Christi" oder das "Wunder des Hl. Ignatius von Loyola" ebenso wie intimere Darstellungen des Pelzchens, des Hauptes der Medusa oder Rubens' spätes Selbstbildnis. Dieser Wiener Bestand wird für die Ausstellung mit zahlreichen internationalen Leihgaben angereichert, u.a. aus dem Antwerpener Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, der National Gallery in London, dem Prado, dem Louvre oder dem Metropolitan Museum of Art.
"Ikonografische Neubestimmung"
Auch zentrale Themen des Alten oder Neuen Testaments wie die Enthauptung des Holofernes oder die Grablegung Christi werden in der Schau gezeigt. Beispielhaft wird laut KHM Rubens' kreativer Arbeitsprozess an seiner Christus-Darstellung aus der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg: Die Ausstellung könne hier mit drei Exponaten Rubens' metamorphotische Anverwandlung der antiken Skulptur eines Kentauren zeigen. Davon habe Rubens zunächst eine Zeichnung angefertigt, die er anschließend zu seiner außergewöhnlichen Darstellung Christi weiterentwickelte: "In einer vollständigen ikonografischen Neubestimmung verwandelte er so aus dem antiken Vorbild des ungezügelten, animalischen Kentauren eine Darstellung des leidenden, vom Betrachter Mitleid einfordernden Christus."
Das "Ecce Homo"-Gemälde des flämischen Meisters aus St. Petersburg dient dem Ausstellungskatalog als Titelbild, der mit einem Umfang von 336 Seiten und knapp 300 Farbabbildungen für 39,90 Euro erhältlich ist. Zur Ausstellung bietet das KHM auch ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen, Kuratorenführungen und einem Symposion im Jänner 2018. (Info: www.khm.at)
Kirchenmaler der katholischen Welt
Peter Paul Rubens wurde vermutlich am 28. Juni 1577 in Siegen geboren, eventuell am 29. Juni, dem Gedenktag für seine namensgebenden Apostel; sein Vater Jan musste davor mit seiner Familie im Zuge der Religionsunruhen aus Antwerpen nach Köln fliehen, konvertierte dort vom Protestantismus zum Katholizismus. 1600 ging der junge Peter Paul nach Italien, um dort Tizian, Veronese und andere Meister zu studieren. Als Hofmaler des Herzogs von Mantua schuf er für die Kapelle der Eleonora de Medici sein erstes Hauptwerk, die (erste) Kreuzabnahme; ihm sollten noch viele weitere mit religiös-mythologischer Thematik folgen.
Rubens' Schaffen zeichnet sich durch Licht und sinnliche Farbigkeit aus - ein scharfer Kontrast zur weltentrückten Frömmigkeit damaliger Andachtsbilder. Als legendär gilt seine Fähigkeit, Haut zu malen. Rubens' religiöse Kompositionen kamen den katholischen Reformbestrebungen, die in erster Linie durch die Jesuiten vertreten wurden, sehr entgegen, weshalb ihn auch die Jesuiten 1620 mit der Ausschmückung ihrer Kirche in Antwerpen betrauten und er bis an sein Lebensende der bevorzugte Kirchenmaler der katholischen Welt und auch ihrer politischen Vertreter blieb.
In seinem letzten Lebensjahrzehnt entwarf Rubens wegen zahlreicher Aufträge auch aus dem protestantischen Adel fast nur noch die Skizzen selbst; die Ausführung überließ er größtenteils den Schülern seiner großen Werkstatt. Peter Paul Rubens starb am 30. Mai 1640 im 63. Lebensjahr in Antwerpen und hinterließ ein umfangreiches Vermögen.
Quelle: kathpress