Scheuer: Flüchtlingsengagement hat Wir-Gefühl in Kirche gestärkt
Das Engagement der Katholiken bei der Fluchtbewegung 2015/16 hat nach Meinung von Bischof Manfred Scheuer "das Wir-Gefühl gestärkt". "Wir haben ein stärkeres Gefühl von Zusammengehörigkeit erlebt und haben eine Aufgabe bekommen", sagte der Linzer Bischof am Wochenende im Bildungshaus Schloss Puchberg in einem Impulsreferat bei der Auftaktveranstaltung zum zwei Jahre dauernden "Zukunftsweg" der Katholischen Kirche in Oberösterreich. Der Zukunftsweg steht unter dem Leitwort "Kirche weit denken". An der Veranstaltung nahmen 200 diözesane Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teil.
Scheuer rief gemäß dem Motto des Zukunftswegs dazu auf, "Kirche nicht engstirnig, nicht von Angst besetzt, nicht administrativ fixiert zu denken", sondern mit der Frage: "Welche Weiten haben wir in unserer Diözese und in unserem Land? Wo überschreiten wir bereits Grenzen, etwa Kulturgrenzen oder Milieugrenzen?" Kirche weit zu denken müsse mit einer Suche verbunden sein, betonte der Bischof: "Wir müssen uns fragen: Wozu sind wir gut? Was ist unser Auftrag?"
Dabei zeigte sich Scheuer überzeugt, dass die Kirche in Oberösterreich einen guten Weg gehen werde, "weil gute Wurzeln vorhanden sind". Er sei zuversichtlich, dass der Zukunftsweg "ein Weg der Freude" sein werde. Pastoralamts-Direktorin Gabriele Eder-Cakl werde jene diözesane Persönlichkeit sein, die das Projekt "Zukunftsweg" leiten und die Gesamtkoordination übernehmen werde.
Eder-Cakl gestaltet und verantwortet den Zukunftsweg gemeinsam mit den Mitgliedern der Steuerungsgruppe und den Prozessbegleitern Reingard Lange und Ansgar Kreutzer, die sie in Puchberg vorstellte. "Wir wollen Kirche weit denken. Das bedeutet: aufmachen, hinausdenken, hinüberdenken, schräg denken und manches von einer anderen Seite anschauen", so Eder-Cakl.
Grundgedanke sei, dass die Kirche in Oberösterreich ihrem Leitsatz gemäß "nah bei den Menschen und wirksam in der Gesellschaft" sein wolle und sich deshalb anstehenden Themen ehrlich und mutig stellen und als lebendige Kirche neue Wege wagen müsse. Angestrebt wird eine thematische und auch strukturelle Weiterentwicklung, die dem Grundauftrag von Kirche und der Lebensrealität der Menschen von heute Rechnung trägt.
Für die nötigen Vorarbeiten bzw. Koordinierungsarbeiten wurde im September 2017 eine Steuerungsgruppe gebildet. Zu dieser Steuerungsgruppe gehören Bischof Scheuer, Generalvikar Severin Lederhilger, die Direktorin des Referats Pastorale Berufe Brigitte Gruber-Aichberger, Pastoralamts-Direktorin Eder-Cakl, Generaldechant Slawomir Dadas, Finanzdirektor Reinhold Prinz, der Leiter der diözesanen Kommunikation Michael Kraml und der Experte Andreas Kaltseis. Die Projektleitung und Gesamtkoordination liegt bei Pastoralamts-Direktorin Eder-Cakl, Projektassistentin ist Katharina Brandstetter. Die strukturelle Prozessbegleitung übernimmt Reingard Lange, die 20 Jahre im Kardinal König Haus in Wien tätig war und nun Unternehmensberaterin, Prozessbegleiterin, Mediatorin und Erwachsenenbildnerin ist. Die theologische Prozessbegleitung erfolgt durch den Professor für Fundamentaltheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz Ansgar Kreutzer.
Kirche ist mit Dulcinea vergleichbar
Kreutzer setzte bei dem Begriff "Dulcinea-Kirchenbild", das der Prager Theologe Tomas Halik geprägt hat, an. Ausgehend von Cervantes' Romanfigur "Don Quichote", dem "Ritter von der traurigen Gestalt", der als romantischer Idealist in seinem Kampf gegen Windmühlen aus der Welt gefallen wirkt, und dessen Begleiter Sancho Panza, der als skeptischer Realist auftritt, zeigt Halik einen Zwiespalt auf: Dulcinea wird von Don Quichote als vornehme Dame wahrgenommen, von Sancho Panza hingegen als derbe Magd - und doch handelt es sich um ein und dieselbe Person.
Das "Dulcinea-Kirchenbild" von Halik meine analog dazu, dass es nur eine Kirche gibt, die aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werde, so Kreutzer. Es gelte also, "sowohl das zu sehen, was Kirche sichtbar ist, als auch die Vision, also den Anspruch, was Kirche sein könnte - ein Symbol und gleichzeitig Werkzeug der Einheit aller Menschen und Völker in Christus, das aber innerhalb der Geschichte nicht vollendet werden kann", wie Halik es formuliere.
Ansgar Kreutzer äußerte für den Zukunftsweg den Wunsch, "dass für die pragmatische, skeptische Perspektive und für die visionäre, träumende Perspektive Platz ist, dass beide aufeinander hören und sich nicht ausschließen - denn in Wahrheit brauchen sie einander".
Weiters verwies Kreutzer auf die politische Dimension von Kirche. "Der Glaube ist nur dann in der Gesellschaft präsent, wenn er eine starke institutionelle Verankerung hat, wie das etwa bei der Caritas oder bei den Pfarren der Fall ist", ist der Theologe überzeugt. Kirche müsse sich auf diese politische Dimension einlassen und sich politisch verstehen - "auf gar keinen Fall staatspolitisch und auch nicht parteipolitisch, aber als zivilgesellschaftliche Institution mit politischen Optionen". Die Herausforderung aus der Sicht des Fundamentaltheologen: "Die Kirche muss kampagnenfähig werden und darf sich als 'Bürgerinitiative des Heiligen Geistes' verstehen."
Quelle: kathpress