Dekan: Papst will Theologie jenseits von "abgeschlossenem Denken"
Die Theologie soll sich "nicht an abgeschlossenem Denken ergötzen", sondern offen sein für das je Größere Gottes und der Wahrheit, "immer in Entwicklung begriffen": Dieses Fazit hat Prof. Christoph Heil, Neutestamentler und Dekan der Grazer Katholisch-Theologischen Fakultät, nach der ersten Lektüre der neuen Apostolischen Konstitution "Veritatis gaudium" (Freude der Wahrheit) von Papst Franziskus gezogen. Der Papst gebe mit seinem Lehrschreiben Anstöße zur Professionalisierung und öffentlichen Wirksamkeit theologischer Hochschulen, und das mit der ihm eigenen "erfrischenden Sprache", sagte Heil am Freitag im Gespräch mit "Kathpress".
Der Vatikan hatte das Papstschreiben diese Woche veröffentlicht, damit wurde das Vorgängerdokument "Sapientia christiana" von Johannes Paul II. von 1979 fortgeschrieben. Bis Dezember 2019 sollen Einrichtungen wie katholische Fakultäten an staatlichen Universitäten (in Österreich neben Graz auch die Standorte Wien, Salzburg und Innsbruck) sowie Hochschulen und Institute in kirchlicher bzw. Ordens-Trägerschaft die nun geforderten Maßnahmen umsetzen. U.a. erwartet der Papst den Dialog auch mit nicht-katholischen oder nicht-religiösen Fachleuten als Mittel, die Wahrheit besser zu erkennen. Und Franziskus will auch auch Forschungsschwerpunkte, die sich auf die "epochalen Probleme" von heute konzentrieren und dazu "geeignete, realistische Lösungsvorschläge machen".
Die geforderte Interdisziplinarität ist nach den Worten des aus Deutschland stammenden Grazer Theologie-Dekans an den staatlich eingebundenen Fakultäten weit fortgeschritten. An seiner Fakultät gebe es etwa Schwerpunkte zur Frauen- und Genderforschung oder zu "Theologie - Kultur - Ästhetik", in denen mit geisteswissenschaftlichen Fächern kooperiert wird. Heil selbst ist am Projekt "Resonante Selbst-Welt Beziehungen in antiken und modernen sozio-religiösen Praktiken" beteiligt, bei dem Exegeten mit Soziologen und Althistorikernm zusammenarbeiten. Katholische Privathochschulen seien in Blick auf die Interdisziplinarität wohl mehr herausgefordert als Einrichtungen, die im Kontext eines staatlichen Universitätsbetriebes angesiedelt sind, so Heil.
Bei öffentlicher Präsenz "Luft nach oben"
Viel "Luft nach oben" sehe er jedoch im Bereich öffentlicher Präsenz der Theologie. Als gelungenes Beispiel erwähnte er die auch von Graz aus getragene theologische Feuilleton-Website "feinschwarz.net"; auch die Veranstaltungsreihe "Theologie am Donnerstag" sei ein - mäßig gelingender - Versuch, breitere Kreise als bloße Theologie-Insider anzusprechen.
Aus christlich-theologischer Perspektive an aktuellen Debatten teilzunehmen ist nach der Erfahrung des Bibelwissenschaftlers wegen des geringen Interesses der Massenmedien schwierig. Am ehesten gelinge mediale Präsenz noch Sozialethikern, Pastoral- und Moraltheologen, doch vielen Kollegen sei der Aufwand zu groß; sie suchten dann lieber durch einschlägige Aufsätze die Anerkennung von Fachkreisen, wie Heil berichtete. Grundsätzlich sei das Anliegen des Papstes, Theologie praxisrelevant, problemfokussiert und verständlich zu vermitteln, sicher berechtigt.
Immer weniger Priester lehren Theologie
"Veritatis gaudium" birgt laut Heil eine Neuerung für die Berufung von Theologie-Lehrenden, die konkrete Folgen für die Katholisch-Theologischen Fakultäten in Österreich haben könnten: In der Konstitution sei die Rede davon, dass dort "eine angemessene Anzahl" der Dozenten Priester sein sollen. Dies müsse von der Österreichischen Bischofskonferenz konkretisiert werden und könnte die bisher verankerte Vorgabe einer "überwiegenden Präsenz von Priestern" neu fassen.
Realität an den Fakultäten im gesamten deutschsprachigen Raum sei ohnedies längst ein deutlicher Überhang von "Laientheologen" im Lehrbetrieb, wies Heil - selbst kein Priester - hin. In Graz gebe es unter den Leitern der insgesamt 14 Theologie-Institute lediglich zwei Kleriker. Es gebe also auch im Wissenschaftsbetrieb einen Priestermangel; bei manchen Lehrstuhlbesetzungen bewerbe sich kein einziger, so Heil.
Die Grazer theologische Fakultät ist laut ihrem Dekan immerhin eng in die Priesterfortbildung eingebunden. In "Veritatis gaudium" werde angeregt, dass ein "Pastoraljahr" für Priesteramtskandidaten an Fakultäten eingerichtet wird. Dazu Heil:
Eine stärkere, auch institutionelle Beteiligung der theologischen Fakultäten an der Ausbildung der Priester nach ihrem akademischen Studium würde ich begrüßen.
Quelle: kathpress