
Linz: Kirchliche Kapitalismuskritik zum Marx-Jubiläum
Kapitalismuskritik ist auch 200 Jahre nach der Geburt des deutschen Philosophen Karl Marx nicht obsolet. Beim siebten Linzer "Quartals.Gespräch" zum Thema "Kapitalismuskritik - Marx Reloaded" im Pfarrhof der Stadtpfarre Linz sprachen Experten von einer Art "Renaissance und Aktualität seiner Überlegungen zur Wirtschaft". Diese sei nicht zuletzt auf die Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre zurückzuführen - so die beiden Diskutanten Anna Wall-Strasser, Leiterin der Betriebsseelsorge Oberösterreich, und Christian Spieß, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholischen Privat-Universität Linz (KTU). Kapitalismuskritische Ansätze gebe es auch in Kirche und Theologie - so das Fazit.
Die Theorie von Karl Marx, der am 5. Mai 1818 in Trier geboren wurde, ließe sich auch von Seiten der christlichen Sozialwissenschaft betrachten, so Spieß. Er bemerkte, dass sich Kapitalismuskritik "wie ein roter Faden durch die Sozialverkündigung der katholischen Kirche, und zwar von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis hinein in die Texte von Papst Franziskus" ziehe. Und das bei einer "grundsätzlich positiven Haltung zur Marktwirtschaft mit Privateigentum an Produktionsmitteln", so Spieß. Als Beispiele nannte er die Befreiungstheologie und die Neue Politische Theologie.
Aktuell wird für Wall-Strasser wieder ein "Unbehagen gegenüber dem kapitalistischen System spürbarer": Einerseits leiste der Kapitalismus einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Armut, andererseits werde in vielen Gesellschaften die Kluft zwischen Arm und Reich größer. Hier werde der Unterschied zwischen Marx und der katholischen Soziallehre spürbar, so die beiden Diskutierenden. Denn die katholische Soziallehre sei immer "von dem Optimismus geprägt, dass die negativen Seiten des Kapitalismus nicht durch Klassenkampf und Revolution, sondern innerhalb des Systems überwunden werden können."
Laut Spieß führten v.a. theologische Forderungen nach einem "Umbiegen" bzw. "Bändigen des Kapitalismus" oder einer "sachgerechten, menschengerechten, gesellschaftsgerechten" Wirtschaft zum Anliegen einer rechtlichen Rahmenordnung für die Wirtschaft. Dazu gehöre auch das Eintreten für eine gut ausgebaute Sozialpolitik und eine stabilen und lebendige Sozialpartnerschaft, die auch starke Arbeitnehmervertretungen einschließe.
Auch die jüngste Ausgabe der in Linz erscheinenden Theologisch-praktischen Quartalschrift widmet sich mit dem Schwerpunktthema "Kapitalismus - Kultur und Kritik" dem Philosophen Marx. Neben Christian Spieß ("Wirtschaftskulturen in modernen Gesellschaften") schrieben darin u.a. Alois Halbmayr ("Geld - ein Gott der Gegenwart?"), David Bebnowski ("Verzicht durch Selbstverwirklichung. Überlegungen zu jungen Generationen im Neuen Geist des Kapitalismus") und Markus Blümel ("Solidarische Ökonomien") Beiträge. (Info: www.thpq.at)
Das nächste "Quartals.Gespräch" findet am 25. Mai im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen zum Thema "Wann ist ein Mann ein Mann? Eine Spurensuche" an der Katholischen Privat-Universität Linz statt.
Quelle: kathpress