Scheuer: Seelsorge hilft, Gefängnis besser zu überstehen
Gefangenenseelsorge hat nach den Worten des Linzer Bischofs, Manfred Scheuer, viele wichtige Funktionen: "Sie hilft den Inhaftierten, die Haftzeit besser zu überstehen, und den Bediensteten, besser mit den Gefangenen umzugehen", erklärte Scheuer vor 50 katholischen und evangelischen Gefangenenseelsorgern aus Österreich, Bayern und der Schweiz, die noch bis Freitag im Bildungshaus Schloss Puchberg (OÖ) tagen. Sorge äußerte Scheuer darüber, dass der Gedanke der Wiedereingliederung des Strafgefangenen in die Gesellschaft immer weniger akzeptiert werde. Die Seelsorge wirke dieser Erfahrung entgegen und vermittle Hoffnung auf Neuanfang.
Die Haft sei ein "absoluter Ausnahmezustand" durch die Erfahrung von Ohnmacht, Angst und Stress, verdeutlichte Scheuer. Gefangene seien durch die Mauern nicht nur am Fliehen gehindert, sondern würden auch in ihrer Beziehung zu Familie und Freunden unterbrochen und vom Leben "draußen" ausgeschlossen. "Mauern schützen auch vor der Umwelt, vor dem Gesehenwerden von außen, vor Blicken, die verdächtigen oder verachten", stellte Scheuer fest. Manchmal würden sich Gefangene hinter den Mauern in sich selbst zurückziehen - "weil sie nicht gesehen werden wollen und sich selbst nicht anschauen können mit ihrer Schuld und Unzulänglichkeit". Eigene Lebensgeschichten würden dann so erzählt, als könne man sie selbst nicht verstehen.
Das Zuhören und Reden erlaube in dieser Situation, "Züge der Lebens- und Leidensgeschichte anzunehmen", erklärte der Bischof. Die Seelsorge eröffne im Gefängnis Räume, in denen Menschen "Gott, ihrem Schöpfer und Erlöser, gegenübertreten können", ein "bleibendes Gewollt- und Geliebtsein" erfahren und dadurch ihre Angst, "durch Schuld jegliche Daseinsberechtigung verloren zu haben", überwinden. Dadurch erst werde das Annehmen eigener Schuld möglich. Besonders wichtig sei es, mit neu Inhaftierten möglichst zügig in Kontakt zu kommen, da der Anfang des ersten Gefängnisaufenthalts meist besonders belastend sei, so Scheuer über die Erfahrungen der Seelsorger.
Täter und Opfer unterstützen
Jesus habe in vielen Gelegenheiten auf Erfahrungen von Gefangenschaft verwiesen: Er habe bereits in seiner Antrittsrede erklärt, er sei gesandt, "damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde", habe sich mit Häftlingen identifiziert ("Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen"), eine Verbindung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gepredigt und in Gleichnissen von Richtern und Gerichtsdienern gesprochen, erklärte der Linzer Bischof. Gott berufe den Menschen zur persönlichen Verantwortung für sein endgültiges Schicksal. Dem entsprechend, müsse die Seelsorge "mitschwingen" - "mit den Tätern, wenn sie über ihre Sorgen und Ängste sprechen. Und mit den Opfern, indem sie den Tätern zu vermitteln versucht, was die Tat für das Opfer bedeutet."
Neben den seelsorglichen Einzelgesprächen würdigte der Bischof auch regelmäßige Angebote von Gefangenenseelsorgern wie Gesprächsgruppen, Wort-Gottes-Feiern und Eucharistiefeiern sowie die besondere Gestaltung von geprägten Zeiten wie Advent und Weihnachten, Fastenzeit und Ostern, aber auch Kreativprojekte wie Lesungen oder kulturelle Veranstaltungen. Papst Franziskus unterstütze diesen Einsatz mit Wort und Taten wie Gefängnis-Besuchen oder Petersdom-Messen für Strafgefangene: Er ermutige die Sträflinge dabei, sich nicht von ihrer Vergangenheit "gefangen nehmen" zu lassen, aus Fehlern zu lernen und mit dem Wissen um die Liebe Gottes ein neues Lebenskapitel aufzuschlagen.
Freiheit zu lieben
Zum Gesamtthema "Krankmachende und heilende Gottesbilder" sprachen bei der Puchberger Jahrestagung auch u.a. der Vorsitzende der AG Katholischer Gefangenenhausseelsorger, Christian Kuhn, der Leiter der deutschen Gottesdienstwerkstatt Bernward Konermann, Hochschulseelsorger Helmut Schüller und Martin Kitzberger vom Forensischen Zentrum Asten. Der evangelische Superintendent Gerold Lehner hob die Aufgabe der Begleitung zu "Freiheit in Verantwortung" hervor: Die Freiheit, auf die man hinarbeite, gehe nicht auf Kosten anderer, sei nicht mehr getrieben von unerfüllten Wünschen und Begierden, sondern sie frei "zu lieben, zu dienen und in allem Schönheit und Freude zu entdecken".
Die Gefangenenseelsorge genießt große Freiräume in der konkreten Arbeit im Alltag der Justizanstalt und kooperiert eng mit der jeweiligen Leitung und den Justizwachebeamten. Österreichweit sind acht hauptamtliche Seelsorger und fast 30 ehrenamtliche Mitarbeiter der katholischen Kirche in den Gefängnissen tätig. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der einzelne inhaftierte Mensch, unabhängig von dessen religiöser Zugehörigkeit und Weltanschauung, in Achtung seiner Würde.
Neben der Begleitung von Gefangenen, der Gestaltung von Feiern und verschiedensten Gruppenangeboten versuchen die Seelsorger, tragfähige Bindungen und Kontakte von Gefangenen nach außen - besonders zu Familienmitgliedern und Freunden - zu bewahren bzw. zu stärken. Darüber hinaus versuchen sie, für die Zeit nach der Entlassung gemeinsam mit den Betroffenen und in Kooperation mit sozialen Einrichtungen Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Ein großes Anliegen ist auch die Bewusstseinsbildung in Kirche und Gesellschaft. (Infos: www.pastoral.at/gefangenenseelsorge)
Quelle: kathpress