Schwarz für identitätsstiftende "geistige Dorferneuerung"
Nach Überzeugung des St. Pöltner Bischofs Alois Schwarz bräuchte die Gesellschaft heute so etwas wie eine "geistige Dorferneuerung" - in Anknüpfung an die seit Jahrzehnten in Niederösterreich geförderten Programme, die die baulichen, verkehrstechnischen und kulturellen Verhältnisse in Dörfern verbessern sollen. Auch in geistig-spiritueller Hinsicht seien gemeinsame, identitätsstiftende Programme notwendig, die den heute so mobil gewordenen Menschen Beheimatung vermitteln, regte Schwarz in einem ausführlichen Interview der Zeitschrift "morgen - Kultur, Niederösterreich, Europa" (Ausgabe 3/18) der niderösterreichischen Landesregierung an.
Das Christentum spiele dabei eine unverzichtbare Rolle, so der Bischof: "Ohne religiöse Denkmäler wäre Österreich nicht Österreich." Allein in Niederösterreich gebe es an die tausend Kirchen. Schwarz wörtlich: "Die Kirche muss im Dorf bleiben." Beim Heimkommen brauche es "einen Wiedererkennungswert, für den Ort, wo man geboren ist, wo man aufgewachsen ist, wo man seine Kindheit erlebt hat, Jugendfreunde fand". Das sei - wie der Bischof hinwies - "nicht unwichtig, weil dort Verwurzelung stattfindet".
Die Kirche sei nicht nur in baulicher Hinsicht ein identifikationsstiftender Anker in der Gesellschaft. "Das, was Christentum ausmacht, muss wieder leben", betonte Schwarz. Christentum sehe jeden Menschen in seiner unveräußerlichen Würde als Ebenbild Gottes - und das über den Tod hinaus. Dies sei ein "Programm", das den Menschen "Lebensperspektiven bietet, die sonst niemand hat", und sie motiviere, daran festzuhalten.
Was die Leute glauben, hätten sie oft auch baulich umgesetzt, wies der Bischof hin. Heute errichtete Kirchen müssten laut Schwarz "im Stil eines Zeltes sein, damit das Unterwegssein deutlich gemacht wird, nicht fest gemauert, sondern mit den Menschen unterwegs". Früher seien Kirchen nach Osten ausgerichtet gewesen, die Gläubigen hätten Orientierung für den ganzen Tag bekommen, "weil man in die aufgehende Sonne hineingeht". Heute sei ein ganz anderes Lebensgefühl gefragt, meinte Schwarz: "Man sucht die Gemeinschaft, den anderen, die Gesellschaft, das Gespräch, die Nähe, den Austausch, die Begleitung." Die neuen Kirchen seien als Versammlungsräume gebaut, in denen man einander wahrnimmt und eine gemeinsame Mitte am Altar findet.
Gesprächspartner für moderne Kunst sein
Er sehe es als Aufgabe der Kirche, Gesprächspartner für moderne Kunst zu sein, unterstrich Schwarz. Der Wiener Jesuit und Kunsthistoriker Gustav Schörghofer macht dies beispielgebend mit Installationen in Kirchen, "die zunächst irritieren, herausfordern, in Frage stellen". Der Bischof ist überzeugt: "Kirche muss ein Stück weit auch mit Kunst provozieren" und brauche selbst die Herausforderung durch eine Kunst, die vor die Frage stelle: "Mensch, bist du authentisch?" Umgekehrt tue der Dialog mit der Kirche auch den heutigen, oft kirchenfernen Künstlern gut, sagte Schwarz: Sie müssten "sich hineindenken in eine andere Welt, wo es um Transzendenz, um Mysterium und Mystik geht, die ja die Künstler auch haben".
Zugleich sei es eine große Herausforderung an die Kirche und die gesamte Gesellschaft, die Bewahrung kulturellen Erbes zu sichern, erklärte Schwarz. Er plädierte hier für einen Schulterschluss geistlicher und weltlicher Institutionen. Und der finde auch statt: Die Diözese St. Pölten bringe jedes Jahr zwölf Millionen Euro für die Erhaltung von Bauten auf; das Land Niederösterreich unterstütze sehr, ebenso der Bund über das Bundesdenkmalamt sowie freiwillige Spenden, sagte Schwarz. "Gemeinsam muss man sich auch anschauen, wenn wir als Kirche lokale Firmen beschäftigen, Arbeitsplätze sichern, Wertschöpfung in der Region halten, Handwerk unterstützen und lebendig halten, ob sich das nicht auch von staatlicher Seite mit steuerlichen Maßnahmen unterstützen ließe." Durch ihre Leistungen sorge die Kirche für sehr viel mehr an Steueraufkommen, als an Subvention zurückkommt.
Es gibt eine "Hausordnung für Österreich"
Befragt zum Stichwort "Kulturchrist" meinte Schwarz: "Ich möchte nicht, dass das ein Abgrenzungsbegriff wird. Wir brauchen ein offenes Zugehen auf andere Kulturen." Es sei wichtig, sich in den jeweils anderen hineinzudenken. Laut dem St. Pöltner Bischof ist es "nichts Neues, dass es in unserem Raum unterschiedliche Kulturen gibt, das war immer so". Und es habe auch immer Spannungen gegeben. Klar sein müsse jedenfalls: "Wir leben in einem demokratischen Staat, einem Rechtsstaat, einem Staat, in dem das Verhältnis von Mann und Frau anders geregelt ist als in anderen Kulturen", so Schwarz. "Das sind Rahmenbedingungen einer Hausordnung für Österreich."
Quelle: kathpress