Papst ruft Kirchen im Baltikum zu öffentlichem Engagement auf
Papst Franziskus hat in Lettland die christlichen Kirchen vor einem Rückzug in die eigene Vergangenheit gewarnt. Das Evangelium müsse in der Öffentlichkeit, an den Arbeitsplätzen, in der Politik und der Wirtschaft hörbar werden, sagte er bei einem ökumenischen Gebet am Montagvormittag im lutherischen Dom von Riga. Wenn sich Christen in ihrer Geschichte und Gotteshäusern verschlössen, vergäßen sie darüber "das gemeinsame Haus", das alle angehe. Die Christen verschiedener Konfessionen müssten heute "zu Handwerkern der Einheit" werden, "damit unsere Unterschiede nicht zu Spaltungen führen", sagte der Papst, und weiter:
Möge der Heilige Geist uns mit den Waffen des Dialogs, des Verständnisses, der Suche nach gegenseitigem Respekt und der Geschwisterlichkeit bekleiden.
Die Ansprache des Papstes war bislang die längste während seiner am Samstag begonnenen viertägigen Reise nach Litauen, Lettland und Estland. An der ökumenischen Feier in Rigas gotischem Dom, der größten Kirche im Baltikum, nahmen neben dem lutherischen Erzbischof Janis Vanags als Gastgeber auch der russisch-orthodoxe Metropolit Alexander Kudryashov und der katholische Erzbischof Zbignevs Stankevics teil.
Die ökumenische Begegnung war untermalt von zahlreichen Musikeinlagen, und auch Franziskus griff in seiner Ansprache die Musik für ein Sprachbild über den Glauben auf.
Wenn die Musik des Evangeliums nicht mehr in unserem Leben gespielt wird und zu einer schönen Partitur der Vergangenheit wird, wird sie nicht mehr die Monotonie durchbrechen können, die die Hoffnung erstickt und all unsere Bemühungen steril werden lässt.
Als "eines der schlimmsten Übel unserer Tage" bezeichnete er Einsamkeit und Isolation. Dabei verwies er auf alleingelassene Senioren wie auf junge Menschen ohne Orientierung und Zukunftsperspektiven.
Die Kirchen seien herausgefordert, "für die Würde jedes Mannes und jeder Frau ungeachtet ihrer Herkunft zu kämpfen", sagte der Papst. Christen sollten "die Betrachtung der Wunden der Vergangenheit und jedes selbstbezogene Verhalten aufgeben" und missionarischer werden. Der "einzig mögliche Weg jeder Ökumene" liege "im Kreuz des Leidens zahlloser junger und alter Menschen, zahlloser Kinder, die oft Ausbeutung, Sinnlosigkeit, einem Mangel an Chancen und Einsamkeit ausgesetzt sind".
Aus religionsdemografischer Sicht ist Lettland die bunteste der drei baltischen Republiken, die Papst Franziskus in diesen Tagen besucht. Von den rund 1,98 Millionen Letten bekannten sich Ende 2016 nach der neuesten Statistik des Justizministeriums in Riga 423.000 zur katholischen Kirche; das sind rund 21,4 Prozent. Die evangelisch-lutherische Kirche des Landes, - sie sorgte vor zwei Jahren für Schlagzeilen, weil ihre Synode die in sowjetischer Zeit begonnene Frauenordination wieder abschaffte - meldete rund 700.000 Mitglieder, was einem Anteil von etwa 35 Prozent entspricht. Der orthodoxen Kirche gehörten 370.000 Letten an (18,7 Prozent). Der Anteil der Juden, Muslime und Angehörigen anderer Religionen lag unter 2 Prozent; knapp jeder vierte gehörte keiner Religion an.
Quelle: kathpress