Schüller: Missbrauchskrise ruft nach neuer Leitungsstruktur
Der Papst und die Bischöfe laden "unerfüllbare Erwartungen" auf sich, wenn sie glaubhaft machten, sie könnten - etwa durch die Versammlung der Bischofskonferenz-Vorsitzenden im Februar - die Missbrauchskrise alleine bewältigen: Zu dieser Einschätzung kommt der Obmann der Pfarrerinitiative, Helmut Schüller, in einem Gastbeitrag der Wochenzeitung "Die Furche" (aktuelle Ausgabe). Die Kirchenleitung sei in einer "Allzuständigkeitsfalle", welche die "Kehrseite der Alleinverantwortung" sei, schrieb der Pfarrer von Probstdorf. Zur Chance werde die Krise erst dann, würde im Zuge der Aufarbeitung auch die Kirchenstruktur reformiert.
Vor allem die Kirchenstruktur sei dafür verantwortlich, dass die Missbrauchskrise so groß haben werden könne, befand der frühere Wiener Generalvikar und Ex-Caritas-Präsident: Einerseits durch "übersteigerte Übergeordnetheit der Geweihten, die allzu leicht zum Missverständnis verliehener Vollmachten als Macht über Menschen verleitet". Zum anderen lasse man Menschen den Priesterberuf anstreben, die hier "eine von oben her legitimierte Spielwiese für ihre gestörte Beziehungsstruktur suchen - bis hin zur sexuellen Ausbeutung von Menschen". Transparenz und Einbeziehung der Kirchenmitglieder in Entscheidungen, die alle betreffen, fehle meistens.
Auch heute würden "einige wenige entscheiden, wie es weitergehen soll und welche Optionen für eine Überwindung der Krise ausscheiden", kritisierte der frühere Caritas-Präsident und Wiener Generalvikar. Dies laufe den Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils zuwider. Dessen Wiederentdeckung des "Volkes Gottes" - in deren Dienst die hierarchischen Ämter stünden - sei keine "Nachahmung der 'bösen' westlichen Demokratie", wie von Kritikern teils verstanden, sondern vielmehr "der Würde der Getauften geschuldet". Man habe damals wegkommen wollen vom Verständnis des Kirchenvolks als Fußvolk oder als pastoraler und sakramentaler Versorgungsfall.
Die aktuelle schwere Vertrauenskrise in der Kirche sollte sich die Impulse des Konzils zu Herzen nehmen und an ihrer Struktur entsprechende Reformen einleiten, so Schüllers Appell. Zwar sei Missbrauch von Macht nie ganz auszuschließen, doch könnte man somit zumindest "das Maximum an Verhinderung ausschöpfen".
Quelle: kathpress